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Bombenbrut

Bombenbrut

Titel: Bombenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Schütz
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japst er. »Wie kommen Sie hierher?«, will er wissen, als er wieder zu Atem gekommen ist.
    »Jeden Freitagmorgen ich komme«, sagt die Frau in gebrochenem Deutsch, »ich bin Putzfrau.«
    »Freitagmorgen«, wiederholt Leon und zerrt an seinen Fesseln. »Holen Sie eine Schere, schnell«, bittet er, das Klebeband widersteht unerbittlich auch seinen heftigsten, ruckartigen Bewegungen.
    Sie geht in die Küche, kommt mit einem Messer zurück und schneidet die Fesseln durch. Leon springt auf, reißt die Klebereste von seinen Gelenken, doch kaum steht er auf seinen Beinen, fällt er wieder auf die Couch zurück. Ihm ist schwindlig und kotzübel. Er setzt sich aufrecht hin, hat aber keine Zeit, lange zu grübeln. Die Putzfrau schaut ihn weiter ungläubig an, wie ein neues Weltwunder.
    Leon denkt an Herbert Stengele und erinnert sich an den weißen Jet mit der vietnamesischen Flagge. Er reibt seine Blutstauungen und Schürfungen an den Gelenken, schaut sich unsicher in der Wohnung um, lächelt die ratlose, vermutlich türkische Putzfrau freundlich an, springt kurz entschlossen vom Sofa auf und rennt aus der Wohnung. »Sie haben ja zu tun!«, ruft er der Zurückbleibenden im Hinauslaufen zu und lässt die Tür zu Stengeles Wohnung ins Schloss fallen.
    Draußen steht sein Wagen, er springt sofort an. Eilig fährt Leon zum Flughafen. Er schaltet sein Radio ein, sofort trällert ihm wieder der Chor der von Tim Hauser gegründeten New Yorker Jazzgruppe ›Manhattan Transfer‹ entgegen, die er gestern auf der Fahrt zur Museumseröffnung noch gut gelaunt eingelegt hatte. Doch ›You can depend on me‹ – das kann Leon heute gerade gar nicht gebrauchen, deshalb stoppt er die beschwingte Aufnahme und schaltet das Radio an.
    Eine Pfarrerin erzählt ihm mit salbungsvoller Stimme ihre Gedanken zum Tag, aber auch das kann er in diesem Moment nicht ertragen, er drückt die Stationstaste des Deutschlandfunks und erfährt, dass es gerade 7 Uhr ist, Zeit, den ersten Tagesnachrichten zu lauschen.
    Doch seine Gedanken sind rastlos woanders. Er muss Herbert Stengele finden. Er hört statt der Nachrichten Iris Köppke zu Stengele sagen: »Wir fliegen mit dir nach Ho-Chi-Minh-Stadt, alles Weitere wirst du sehen!«
    Die Straßen sind noch menschenleer. Außer auf die stationierten Radarmessgeräte, die immer mehr wie Unkraut aus dem Boden schießen, muss er auf nicht viel achten. Er gibt Gas, als könne er die drei Flüchtigen einholen.
    Seinen Wagen lenkt er direkt vor das neu eröffnete Museum. Die Eingangshalle ist bereits offen, drinnen arbeiten die Museumsangestellten, sie räumen die Reste der gestrigen Eröffnungsfeier beiseite, in zwei Stunden beginnt der Museumsbetrieb für die ersten offiziellen Besucher.
    Leon nutzt die Chance, rennt einfach durch die offene Tür an der unbesetzten Kasse vorbei in die Halle und versucht, durch den Hinterausgang auf das Fluggelände zu gelangen. Doch heute Morgen sind die Türen verschlossen. ›Durchgang verboten!‹, liest er und steht vor den Glasfenstern. Er blickt auf die Rollbahn, sieht die Exponate, die gestern die Ausstellungsstücke der Dornierflugzeuge ergänzten, sieht die Learjets an der Stelle parken, wo sie gestern standen. Allerdings sieht er nur noch drei – die weiße Maschine mit der vietnamesischen Flagge ist verschwunden.
    »Mist!«, entfährt es ihm, er schlägt wütend mit dem Fuß gegen den Türrahmen und rennt zurück. Er springt in seinen Porsche, fährt am Flughafengelände entlang zum Tower, öffnet eine Tür, auf der steht: ›Zutritt verboten!‹, öffnet trotzdem auch eine zweite Tür und hastet die vielen Stufen in den Kontrollraum hinauf.
    »Wo ist die vietnamesische Maschine?«, ruft er außer Puste in den Raum hinein.
    Zwei Fluglotsen springen aus ihren bequemen Sesseln auf und starren ihn überrascht an: »Wo kommen Sie denn her?«
    »Von unten«, antwortet Leon völlig außer Atem, »ich suche die vietnamesische Maschine, die gestern vor dem neuen Dornier Museum parkte.«
    »Die ist eben raus«, sagt einer der beiden lapidar, »aber was haben Sie hier zu suchen?«
    »Die vietnamesische Maschine«, gibt Leon verdrießlich zurück. Ihm ist klar, dass Herbert – ob freiwillig oder nicht – darin sitzt. »Kontrolliert die Maschinen vor dem Abflug denn niemand?«, fragt er die beiden Lotsen ungläubig, »kann da mitfliegen, wer will?«
    »Das geht auf dem kleinen Dienstweg. Aber gestern war hier die Hölle los und die Privatflieger müssen natürlich nicht durch den

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