Bombenbrut
schaut unsicher zu Markus. Dieser grinst spöttisch. »Onkel Herbert, lass dich nicht hinters Licht führen von diesem Arsch. Ich und meinen Vater umbringen! Du weißt selbst, wie absurd und unverschämt diese Unterstellung ist.«
»So kommen wir nicht weiter«, reißt Iris Köppke das Heft erneut an sich, »ich denke, Herr Dold, dass Sie jetzt besser gehen, Ihre Vorwürfe lassen jeden Anstand vermissen. Bitte verlassen Sie Herrn Stengeles Wohnung!«
Leon schaut zu Herbert Stengele. Er hat keine Lust, die Situation ungenutzt verstreichen zu lassen. Er hat schon ein paar Keile einstecken müssen, jetzt will er ein Ergebnis. »Vielleicht sollten lieber Sie gehen, ich stecke gerade mitten in Reisevorbereitungen mit Herrn Stengele. Wir haben noch einiges zu besprechen, wenn ich mich recht erinnere, sind Sie hier hereingeplatzt.«
Markus will schon wieder auf Leon losgehen, aber diesmal ist er darauf gefasst und reagiert mit einer Abwehrhaltung.
Iris mischt sich laut ein: »Schluss jetzt!«, herrscht sie beide an. »Wohin wollen Sie denn verreisen?«, schaut sie Leon herausfordernd an.
»Nach Hawaii«, platzt es aus Herbert Stengele, »Herr Dold will sich im Observatorium auf dem Mauna Kea meinen Spiegel ansehen und ihn für das Fernsehen aufnehmen. Damit werden wir beweisen, dass die Amerikaner meine Patente verletzt haben und meinen Spiegel nachbauen.«
Iris Köppkes freundliche Art schlägt um, ihre Augen werden finster. »Herbert, schlag dir das aus dem Kopf, wir werden deine Patente verkaufen, verlass dich auf uns.« Dann ändert sich ihr Gesichtsausdruck und ihr freundliches Wesen gewinnt wieder die Oberhand: »Deshalb, mein Lieber, sind wir zu dir gekommen. Lass uns das alles in Ruhe besprechen. Du wirst deine Anerkennung bekommen und das Geld, alles wird gut. Vertraue uns.«
»Ich habe keine Patente mehr zu verkaufen, liebe Iris«, lacht Stengele bissig, »das ist doch alles solch ein Quatsch, wenn ich das schon höre, Patentamt! Damit habe ich erst alle meine Berechnungen öffentlich gemacht und die Amerikaner haben sie einfach abgepinnt.«
»Und du hast ihnen alles Nötige dazu erklärt«, erinnert Iris den Erfinder an den Besuch der NSA-Agenten.
»Und wenn schon, jetzt ist meine jahrelange Arbeit allen bekannt, und die Amerikaner haben, was sie wollen«, erklärt er trotzig. »Und zu allem hin, habt ihr das gerade in den Nachrichten gehört? Ich darf meine eigenen Berechnungen niemandem mehr außerhalb der NATO anbieten. Niemandem! Und die NATO hat längst, was sie will. Also?«
»Lass das unsere Sorge sein, Herbert«, erwidert Iris eindringlich, »wir haben einen Interessenten, der gut bezahlt. Er will nicht nur deine Patente, darauf würde er wahrscheinlich scheißen, das stimmt, sondern er will dich, weil er weiß, nur mit dir hat das Projekt Erfolg. Du bist gefragt, an dir hat er Interesse!«
Herbert Stengele lächelt müde. »Wer soll denn das sein? Ahmadinedschad?«
»Nein, Hu Jintao«, gibt Iris retour.
»Wer?«, fragt Stengele.
»Die Chinesen! Wir fliegen mit dir nach Ho-Chi-Minh-Stadt, alles Weitere wirst du sehen.«
Herbert Stengele wird leichenblass, sein Lachen verschwindet plötzlich. Er fährt sich mit der Hand über seinen Kopf, nimmt die Brille ab, massiert sich die Nasenwurzel, die Stirn. Offenbar rebelliert sein Magen, er rennt zur Toilette und übergibt sich.
Leon schaut ihm verwundert nach, will etwas sagen, doch er kommt nicht mehr dazu, er verspürt im selben Augenblick einen schweren Schlag auf seinen Kopf, sieht viele bunte Sternchen, wie sie Stengele gern im Weltall entdecken würde, und schlägt hart auf dem Boden des Wohnzimmers auf.
»Das war allerhöchste Zeit«, zischt Iris Köppke und zwinkert Markus zu, der Leon mit dem Boden der leeren Weinflasche eins über den Schädel gezogen hatte. »Du holst Herbert aus der Toilette, ich verarzte den Journalisten-Schnüffler und dann nichts wie weg hier, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
19
Kommissar Horst Sibold sitzt derweil in Friedrichshafen im ›Goldenen Rad‹. Die Kollegen des Sondereinsatzkommandos des BKA haben sich dort einquartiert. Jeden Abend treffen sie sich vor dem Vier-Sterne-Hotel in der Fußgängerzone, wenige Meter von der Promenade des Bodenseeufers entfernt. Es ist nur noch ein kleiner Trupp von Bundesbeamten, die am See geblieben sind, die meisten Mitglieder der einberufenen Sonderkommission sitzen wieder in ihrer Zentrale in Wiesbaden und Berlin.
Horst Sibold hat sich als eingefleischter
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