Bombengeschäfte
kurzfristig abgesagt. Auch den Wunsch, mit Andreas Heeschen sprechen zu können, lehnt die Pressesprecherin kategorisch ab. Schriftliche Fragen des Autors, die von Heckler & Koch angefordert wurden, bleiben ohne Antwort. Das Unternehmen erklärt per E-Mail: „Nach der Untersuchung / Großrazzia durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 10.11.2011 ist die Funktionsfähigkeit des Unternehmens deutlich gestört. Unsere Geschäftsführer haben alle Hände voll zu tun, die Produktion wieder ins Laufen zu bringen und Strukturen wiederherzustellen. Außerdem empfehlen unsere Anwälte, derzeit keinerlei Aussagen gegenüber den Medien zu treffen.“ Die von Heckler & Koch beschriebene „Großrazzia“ begann an einem Donnerstagmorgen. 213
Leise und heimlich, ohne Blaulicht und Martinshorn, rollen Mannschaftsbusse, Kombis und Limousinen der Polizei in das verschlafene Städtchen Oberndorf zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. 300 Beamte der Bereitschaftspolizei, Staatsanwälte aus Stuttgart und Kriminalpolizisten durchsuchen die Zentrale von Heckler & Koch. Polizeibusse parken vor den mit roten und graumetallischen Platten verkleideten Gebäuden. Drinnen stockt die Produktion. Polizisten laden Kartons, gefüllt mit Aktenordnern, Computern und Speichermedien in die Fahrzeuge – rund 150 Kisten werden es am Ende der Razzia sein. Gleichzeitig durchsuchen Polizisten sechs Wohnungen und Häuser von aktuellen und ehemaligen Heckler-&-Koch-Chefs. Zwei Tage dauert die Polizeiaktion.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität aus Stuttgart ermittelt seit dem Frühjahr 2010 gegen Heckler & Koch wegen Waffenausfuhren nach Mexiko. Bereits Ende 2010, drei Tage vor Heiligabend, fand eine erste Razzia in der Firmenzentrale statt. Seitdem kamen neue Vorwürfe dazu, denn auch im Libyenkrieg tauchten in den Depots von Muammar al-Gaddafi in Oberndorf produzierte Waffen auf. Auslöser der Durchsuchungen bei Heckler & Koch waren Anzeigen des Friedensaktivisten Jürgen Grässlin. Zusammen mit dem von ihm gegründeten Rüstungsinformationsbüro (RIB) in Freiburg kämpft er seit Jahren gegen die Exporte von Heckler & Koch. 2011 erhielt er für sein Engagement gegen Rüstungsexporte den Aachener Friedenspreis. Zweimal hat Grässlin das Oberndorfer Unternehmen seit 2010 wegen angeblicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angezeigt: Wegen Waffengeschäften mit Mexiko und wegen Sturmgewehren, die ohne Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung in Libyen auftauchten.
Die Geschäftsführer von Heckler & Koch, Niels Ihloff und Martin Lemperle, versichern hingegen in einem Brief, den sie im September 2011 an Bundestagsabgeordnete schicken: „Heckler & Koch ist ein Unternehmen, das sich an Recht und Gesetz der Bundesrepublik Deutschland hält.“ 214 Im Fall Libyen hat auch Heckler & Koch bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen unbekannt gestellt. Das Unternehmen gibt an, dass die Gewehre auf unrechtmäßigen Wegen nach Libyen gelangt seien. Heckler & Koch habe damit nichts zu tun.
Bei den Ermittlungen gegen Heckler & Koch geht es um das Sturmgewehr G36. Mit dem Gewehr, der Standardwaffe der Bundeswehr, kämpfen deutsche Soldaten in Afghanistan. In den Feldlagershops der Bundeswehr in Kundus, Kabul und Masar-i-Scharif werden Uniformaufnäher verkauft mit dem Aufdruck: „There are problems, only HK can solve“.
Deutsche Gewehre im Drogenkrieg
Auch spanische und saudische Soldaten sind damit ausgestattet. Weltweit zeigen weitere Armeen Interesse an dem Sturmgewehr made in Oberndorf. „Das G36 ist perfekt geeignet für infanteristische Aufgaben im abgesessenen Kampf. Optimal in der Handhabung, im Gewicht und der Feuerdichte im Nahkampf“, wirbt Heckler & Koch. Die Waffe überzeugte auch die mexikanischen Sicherheitskräfte. Mexiko beschloss 2005, das G36 anzuschaffen. Heckler & Koch beantragte beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Export der Sturmgewehre und legte dabei die vorgeschriebenen Endverbleibszertifikate vor, ausgestellt von der Secretaría de la Defensa Nacional, Dirección General de Industria Militar, der mexikanischen Beschaffungsstelle für Heer und Polizei. Darin bestätigten die Mexikaner, dass die Gewehre bestimmte Bundesstaaten nicht verlassen werden.
Das BAFA genehmigte den Export von Tausenden Gewehren nach Mexiko. Lediglich die Polizeibehörden in den mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Jalisco, Guerrero und Chihuahua sollten keine Sturmgewehre aus
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