Bombengeschäfte
der Waffen bis zur Ankunft beim Kunden dokumentiert wird.
Er habe den Verdacht, dass die Gewehre über einen Umweg über die Vereinigten Staaten nach Georgien gelangt seien, sagt der frühere Manager beim Treffen in der Bahnhofgaststätte. Beweise legt er dafür nicht vor – auch keinen klaren Hinweis, dass die Führung von Heckler & Koch in Oberndorf involviert gewesen sein könnte. Auch der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin aus Freiburg hält die USA-These für durchaus plausibel. Er erklärte gegenüber der
Süddeutschen Zeitung
: „Es gab immer wieder Hinweise darauf, dass die USA Georgien bei der Aufrüstung unterstützt haben.“ 227
Im August 2011 tauchte das G36 dann erneut in einem Krieg auf: Während im Osten Libyens die Rebellen gegen das Regime in Tripolis zu kämpfen begannen, hielt Saif Al-Islam Gaddafi, einer der Söhne des Diktators, in der Hauptstadt vor seinen Kämpfern eine Ansprache. Dann posierte er mit einem automatischen Gewehr. Jemand filmte ihn dabei, der Videoclip landete im Internet auf der Plattform Youtube. Waffenexperten erkannten, dass es sich dabei um ein G36 von Heckler & Koch handelte. Deutsche Gewehre für den libyschen Diktator? In den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung ließ sich keine Exportgenehmigung für diesen Waffentyp nach Libyen finden.
Heckler & Koch erklärte, keine Waffen an Gaddafi geliefert zu haben, und kritisierte alle Kritiker: „Selbst ernannte Experten spekulieren derzeit öffentlich über Lieferungen von Heckler-&-Koch-Produkten nach Libyen. Die entsprechenden Behauptungen entbehren jeder Grundlage. Die spekulativen Aussagen dienen nur dem Zweck, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Unternehmens zu befördern. Diesen Behauptungen tritt Heckler & Koch sehr entschieden entgegen.“ Bei der Waffe, die Saif Al-Islam Gaddafi in dem Video in die Höhe reckte, könne „es sich entweder um eine G36-Nachbildung als Soft-Air-Waffe oder tatsächlich um eine Echtwaffe handeln, die unrechtmäßig über einen Heckler & Koch nicht bekannten Weg beschafft wurde“. 228
Dieser eventuelle Weg des G36, von Heckler & Koch als „unrechtmäßig“ beschrieben, wird wenige Wochen später noch interessanter. Denn bei
einem
G36-Gewehr, das in Libyen auftaucht, bleibt es nicht. In Tripolis erbeuteten libysche Rebellen in einer Residenz des später getöteten Diktators Muammar al-Gaddafi und in weiteren Depots G36-Gewehre. Im deutschen Fernsehen laufen Bilder von Kämpfern, die mit dem Sturmgewehr im Häuserkampf schießen und später nach dem Sieg Freudenschüsse abfeuern. Kurt Pelda, ein freier Journalist, hält sich damals in Tripolis auf. Er kommentiert die Waffenfunde im ARD-Magazin
Kontraste
: „Das sind ganz neue Gewehre. Sie sehen aus, wie wenn sie direkt aus der Originalverpackung kommen. Die Rebellen sagen, sie hätten sie im Hauptquartier von Gaddafi in Bab-Al-Asisija gefunden.“ 229
Schnell war klar: Wie auch immer die Sturmgewehre aus Oberndorf in Tripolis gelandet waren, über legale Wege war das nicht geschehen. „Ein Antrag für die Genehmigung der Ausfuhr von G36-Gewehren nach Libyen oder ein Antrag auf Zustimmung zu einem Re-Export aus einem Drittland nach Libyen ist nie gestellt worden“, informiert ein Bericht des Wirtschaftsministeriums, der Bundestagsabgeordneten vorgelegt wurde. „Ein entsprechender Antrag hätte auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt.“ Waffenlieferungen an Libyen waren besonders heikel; bis 2003 bestand ein von den Vereinten Nationen verhängtes Waffenembargo, ein weiteres der EU bis 2004.
Der Bericht des Wirtschaftsministeriums informiert weiter, dass ein in Libyen aufgetauchtes G36-Gewehr die Seriennummer A231 trug. Doch weder beim zuständigen Beschussamt in Ulm, das alle Gewehre prüft, noch im Kriegswaffenbuch von Heckler & Koch wird eine Waffe mit solcher Nummer geführt. „Das lässt nur den Schluss zu, dass diese Nummer erst nach erfolgtem Beschuss unter Entfernung der ursprünglichen Seriennummer nachträglich angebracht wurde“, schreibt das Wirtschaftsministerium. Heckler & Koch sei um Mithilfe bei der Aufklärung gebeten worden.
Heckler & Koch kündigte daraufhin an, einen eigenen Ermittler nach Libyen zu schicken, der die G36-Gewehre untersuchen soll. Die Geschäftsführer Martin Lemperle und Niels Ihloff schreiben in einem Brief an einen Abgeordneten, „die Funde von Heckler-&-Koch-Produkten (G36) in Libyen haben bei uns im Unternehmen nicht nur Besorgnis ausgelöst, sondern vor allem eine interne
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