Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Silben. »Ich bin sehr gespannt darauf, ob Ihr Team diese harte Nuss knacken wird. Während Sie sich nun in aller Ruhe mit dieser kniffligen Frage beschäftigen können, genießen wir in dieser Zeit die spektakuläre Bühnenshow des Londoner Magic-Theaters.«
Schnitt – Die Führungskamera richtete sich auf die bunt kostümierten Tanzakrobaten, die mit Elan auf die Bühne stürmten.
Marco Kern hastete derweil in den Übertragungswagen, wo Gero Lottner gerade seine liebe Mühe mit der Bildmischerin hatte, die augenscheinlich die Nerven verloren hatte. Als sie den von ihr vergötterten Moderator erblickte, riss sie sich von Lottner los und warf sich Marco an den Hals.
»Um Himmels willen, was ist denn mit dir los?«, fragte Kern entsetzt.
»Marco«, wimmerte die ungepflegte, stark nach Schweiß riechende Frau mit weinerlicher Stimme, »wenn du schon die Panik kriegst, wie soll ich das denn alles aushalten? Ich hab’s doch gerade gesehen, wie du fast keinen Ton mehr rausgekriegt hast. Ich halt’s nicht mehr aus!«
Sie drückte sich von seinem Körper weg und wollte an ihm vorbeipreschen. Aber der Regisseur hatte sich inzwischen hinter Marco gestellt und hielt seine Mitarbeiterin an beiden Oberarmen fest.
Ihr schweißnasses, teigiges Gesicht war von Todesangst entstellt. »Ich muss sofort hier raus«, schrie sie wie von Sinnen.
Lottner presste ihr seine Hand auf den Mund. »Sei sofort ruhig! Reiß dich jetzt endlich mal zusammen, zum Donnerwetter«, blaffte er sie wütend an. »Ich hab im Moment bestimmt wichtigere Probleme, als mich um eine hysterische Tussi zu kümmern! Geh endlich an deine Arbeit! Sonst sorg ich dafür, dass du keine Stunde länger mehr beim Sender bist.«
Diese unverhohlene Entlassungsdrohung zeigte umgehend Wirkung.
»Nein, nein, Gero, bitte nicht«, flehte sie. »Ich hab doch sonst nichts.«
»Dann mach jetzt deinen Job! Wenn nicht …« Weiter sprach er nicht, sondern nahm einen großen Schluck aus einer Wasserflasche.
Marco legte unterdessen den Arm um die Bildmischerin und führte sie zu ihrem Stuhl. »Beruhige dich. Es wird schon irgendwie gutgehen.« Dann wandte er sich an den Regisseur. »Hat sich inzwischen etwas Neues getan?«
»Nein«, seufzte Lottner kopfschüttelnd, »nichts. Der hat sich bis jetzt auch nicht mehr gemeldet.«
»Verdammt. Hoffentlich dreht dieser Kerl nicht durch, wenn er in einer halben Stunde sein Geld nicht bekommt.«
Gero Lottner streckte in einer entschuldigenden Geste seinem Starmoderator die geöffneten Handflächen entgegen. »Was soll ich denn machen, Marco? Geld ist keins da. Unser Sender könnte – selbst, wenn er wollte – unmöglich in so kurzer Zeit, so viel Geld auftreiben. Dann auch noch samstagabends! Der Typ …«
»Du hast noch nicht mit dem Sender gesprochen?«, schnitt ihm Marco Kern das Wort ab.
»Nein, das Risiko ist mir einfach zu groß.«
»Und mit der Polizei auch nicht?«
Lottner ließ seinen fast haarlosen Kopf schwungvoll hin- und herpendeln. »Nein. Das würde höchstens zu einer Eskalation führen. Wir können nur hoffen, dass diese Leute nicht Ernst machen und die Bomben hochgehen lassen.«
»Oh Gott, oh Gott.«
»Mein Junge, du musst schon bald wieder raus. Denk an die vielen Leute. Denk an deine Verantwortung. Wir dürfen keine Fehler machen. Vor allem dürfen wir diese Mistkerle nicht durch irgendetwas Unbedachtes provozieren.«
Ein paar Sekunden später schlüpfte Marco Kern wieder in seine schwierige Rolle. Nachdem sich die Akrobatiktruppe mehrmals artig für die tosenden Beifallsstürme des Publikums bedankt hatte, überreichte der Starmoderator der Choreografin einen großen Blumenstrauß. Danach begab er sich zurück zur Ratekabine. Der Vorhang des Kandidaten-Containers öffnete sich. Das Innere des schallisolierten Raums erschien auf der Großleinwand.
»So, nun wieder zu Ihnen, liebe Familie Tannenberg«, säuselte Kern ins Handmikrofon. »Ihre maximale Bedenkzeit ist nahezu abgelaufen. Haben Sie sich inzwischen auf eine Antwort geeinigt?«
»Ja, haben wir«, entgegnete Jacob. »Jedenfalls fast.«
»Fast? Na gut, dann schießen Sie mal los!«
»Wir sind nach dem Ausschlussverfahren vorgegangen.«
»Eine sehr professionelle Strategie«, lobte Kern.
»Zuerst zu Antwort A: Mein Sohn ist sich sicher, dass man die Überlieferung von Sagen als My-tho-lo-gie bezeichnet«, knüpfte Jacob an die Silbenzerlegung des Quizmasters an. Er ließ einen Augenblick verstreichen, auf eine Reaktion von seiten Marco
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