Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
und hielt es dem Kriminalbeamten schmunzelnd unter die Nase. »Das war am Ende der neunten Klasse.«
    »Wer von denen ist Jens?«
    »Jens Klöckner?«
    »Ja, natürlich«, entgegnete Tannenberg genervt.
    »Wir hatten zwei Jens in der Klasse«, gab Bettina schnippisch zurück. Sie tippte nacheinander auf die beiden Jungs.
    »Und welcher von den beiden ist nun Jens Klöckner?«, fragte er eher pro forma, denn er hatte ihn bereits identifiziert.
    »Der da, der so frech in die Kamera grinst. Das war vielleicht ein Krawallo.«
    Plötzlich fing sie an zu schluchzen. Erst jetzt schien sie zu begreifen, dass derselbe Jens, mit dem sie nach Angaben ihres Vaters eine Zeit lang liiert gewesen war, inzwischen nicht mehr lebte. Ihre Mutter nahm sie tröstend in den Arm und wiegte sie wie ein kleines Mädchen hin und her.
    Von der Eingangstür her ertönte ein schnell anschwellender Schlachtengesang. Kurz darauf stürmte eine Handvoll FCK-Fans in die Küche. Sie trugen allesamt rote Hosen und bordeauxfarbene Trikots. Die Erwachsenen hielten rot-weiße Schals in die Höhe, ein kleiner Junge schwenkte eine Fahne.
    »Vor Ihnen steht der Fanclub ›Rote Hosen‹«, verkündete Hellmann mit stolzgeschwellter Brust. Er blickte hinüber zu seiner Frau, die mit dem Rücken am Fenster stand. »Oh je, Mutter, wir müssen uns ja noch umziehen.«
    »Der Roland war auch bei mir in der Klasse – bis zum Schluss«, sagte Bettina, die sich wieder beruhigt hatte. Sie deutete auf einen dunkelhaarigen jungen Mann, der im Flur stand und sich gerade eine Zigarette anzündete.
    »Was ist mit mir?«
    »Komm mal her!«
    Der etwas ungelenk wirkende FCK-Fan stakste zum Küchentisch und postierte sich ebenfalls hinter den Kriminalbeamten. Die drei Klassenfotos lagen chronologisch aufgereiht nebeneinander.
    »Das waren geile Zeiten, Tinchen, gell?«, lachte der junge Mann, den Blick auf das rechte Foto gerichtet. »Was wir da alles getrieben haben. Vor allem du und der Jens.« Mit melancholischer Stimme schob er nach. »Und jetzt ist er tot und der alte Klöckner auch.« Voller Mitgefühl seufzte er auf.
    Tannenberg kroch ein Schwall kalter Rauch über die Schulter. Für ihn als passionierten Nichtraucher war dieser Geruch nahezu unerträglich. Angewidert zückte er sein Taschentuch und schnäuzte sich die Nase.
    »Sagen Sie mir mal ein paar Sätze zu den einzelnen Jungs«, forderte er den jungen Mann auf.
    Der FCK-Fan räusperte sich, nahm einen intensiven Zug an seiner Zigarette, beugte sich nach vorne und blies den ausströmenden Rauch auf die Fotos hinab.
    Blitzartig warf Tannenberg den Kopf zur anderen Seite. Ein stechender Schmerz biss ihm ins Genick.
    »Der da ist ein paar Monate später nach einem Saufgelage im Blechhammer ertrunken«, erläuterte der rücksichtslose Raucher. Danach tippte er auf zwei andere Schüler. »Die beiden haben seit der Schule die meiste Zeit im Knast gesessen.«
    »Wissen Sie wegen welcher Straftaten?«
    »Der eine wegen Mord oder Totschlag oder so was. Das ist halt ein Schläger, wie seine ganze Familie.«
    Tannenberg dachte kurz an die gewalttätigen Kinder- und Jugendbanden aus dem nahegelegenen sozialen Brennpunkt, unter denen die Bewohner des Grübentälchens früher massiv zu leiden hatten. Auch er und sein Bruder waren damals mehrfach vor diesen streitsüchtigen Horden geflüchtet.
    »Und der andere?«
    »Irgendwas mit Drogen.«
    Natürlich wurden die Kriminalbeamten bei diesen Aussagen sofort hellhörig.
    »Wie heißen die beiden?«, wollte Mertel wissen. Nachdem er sich die Namen notiert hatte, ging er ins Freie und bat die Zentrale um entsprechende Nachforschungen.
    Unterdessen konfrontierte Tannenberg den jungen Mann mit einer weiteren Frage: »Wer von Ihren Klassenkameraden hat damals Hochdeutsch geredet?«
    »Hochdeutsch?«, fragte er mit einem Gesichtsausdruck, als ob er gerade ein extrem ekelerregendes Wort vernommen hätte. Er überlegte einen Moment lang, während er verächtlich schnaubte. »Von denen da keiner«, sagte er schließlich kopfschüttelnd. »Oder Tinchen?«
    »Nein. Die paar, die Hochdeutsch gesprochen haben, sind alle nach der vierten Klasse aufs Gymnasium gewechselt.«
    Tannenberg zog das mittlere Foto vom Tisch und hielt es vor sich in die Höhe. »Welche von denen waren das denn?«
    Bettina zeigte nacheinander auf fünf Jungs.
    »Der da ist Rechtsanwalt – in der Schneiderstraße«, begann der FCK-Fan den weiteren Lebensweg seiner ehemaligen Mitschüler zu kommentieren. Sein Zeigefinger

Weitere Kostenlose Bücher