Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
bleiben doch hier und gucken sich mit uns das Spiel an, ja?«
»Nein, das geht leider nicht, wir müssen noch arbeiten«, lehnte Tannenberg ab, obwohl er in diesem Augenblick wirklich nichts lieber getan hätte, als das, wozu ihn Frau Hellmann gerade eingeladen hatte.
»Bitte, bleiben Sie doch«, bettelte sie. »Wann haben wir denn schon mal solch einen berühmten Mann zu Gast.«
Plötzlich stürmte Sabrina zur Tür herein. »Kommt bitte mal schnell raus!«
Dr. Schönthaler verschluckte sich fast an einem Bissen Brot. Er hustete, rang nach Atem, trank hektisch einen großen Schluck Bier. Tannenberg klopfte ihm auf den Rücken. Eiligen Schrittes folgten sie der jungen Kriminalbeamtin hinaus ins Freie, wo es bereits zu dämmern begann.
»Mich hat eben der LKA-Kollege angerufen, mit dem ich vorhin schon einmal telefoniert habe.«
»Und?«, fragte Tannenberg ungeduldig.
»Sie haben in Mannheim ein paar Wohnungen durchsucht. Der Verfassungsschutz hat sie schon seit längerem observiert. Dabei haben sie Mitglieder einer Terrorzelle verhaftet, die möglicherweise einen Anschlag auf den amerikanischen Präsidenten geplant haben – bei seinem Besuch in Landstuhl.«
»Weiter, weiter.«
»In dieser Wohnung haben sie außer Waffen, Sprengstoff und Zündern auch einen Stadtplan von Kaiserslautern entdeckt, auf dem die Fruchthalle markiert ist.«
»Was? Also, ich kapier allmählich überhaupt nichts mehr«, verkündete Mertel.
»Ich auch nicht«, pflichtete Tannenberg ihm seufzend bei. Plötzlich hatte er das Gefühl, sich total verrannt zu haben. »Da waren wir vielleicht die ganze Zeit über auf einer völlig falschen Fährte. Weil ich Hornochse mich mal wieder viel zu früh auf eine bestimmte Ermittlungsrichtung festgelegt habe. Und die anderen hab ich völlig ignoriert«, fuhr er selbstkritisch fort.
»Na ja, Wolf, jetzt fang nicht gleich an zu heulen«, bemerkte Dr. Schönthaler. »Wer sagt dir denn, dass die nun wirklich auf eine heiße Spur gestoßen sind? Wenn ich dich daran erinnern dürfte: Wir haben das Band mit der Originalstimme des Mörders und Erpressers – und wir wissen, dass er gemeinsam mit Jens Klöckner die Geschwister-Scholl-Schule besucht hat. Und die haben wahrscheinlich außer Vermutungen noch rein gar nichts.«
Trotzdem schüttelte Tannenberg frustriert den Kopf.
»Wobei es natürlich auch sein kann, dass sich beide Spuren überschneiden«, schob der Rechtsmediziner nach.
»Was?«, fragte sein Freund, der allem Anschein nach immer noch seinen zermürbenden Gedanken nachhing.
»Ja, es kann genauso gut auch noch eine dritte Erklärungsmöglichkeit geben. Nämlich die, dass es sich bei unserem Täter und demjenigen, dem der Verfassungsschutz auf die Spur gekommen ist, um ein- und dieselbe Person handelt.«
»Versteh nicht, was du meinst.«
»Na, vielleicht gehört der Kerl ja zu dieser Mannheimer Terrorzelle. Die Tatmotive lägen dann wohl auf der Hand. Erstens: Machtdemonstration durch die Ermordung des konservativen Politikers Dr. Winkelmann, seines Zeichens hohes Tier im Innenministerium und bekannter Hardliner. Zweitens: Geldbeschaffung zur Finanzierung weiterer terroristischer Aktivitäten. Diese Strategie hat die RAF in den 70er-Jahren schließlich oft genug praktiziert.«
Tannenberg griff sich an die Schläfen. »Ich hab das Gefühl, mir platzt gleich der Kopf.«
»Dann brauchst du jetzt dringend eine Ablenkung«, sagte Mertel. »Komm, wir gehen alle wieder rein und schauen uns zusammen das Fußballspiel an. Bis die Zentrale sich bei uns meldet, können wir sowieso nichts Sinnvolles tun.«
Mitte der ersten Halbzeit war die Stimmung auf dem Siedepunkt angelangt. Der 1. FC Kaiserslautern führte in Dortmund 2:0. Eine La-Ola-Welle nach der anderen schwappte durch das Wohnzimmer. Man verstand sein eigenes Wort nicht mehr. ›So ein Tag, so wunderschön wie heute‹ war das Lied der Stunde und wurde nahezu ohne Unterlass intoniert.
Unbemerkt von seinen Kollegen hastete Mertel in den Flur, sein Handy klebte am Ohr. Trotzdem verstand er nur Fetzen. Auch dort war es immer noch zu laut. Er stürzte zur Tür hinaus und machte einen Satz die Treppe hinunter. Nun konnte er klar und deutlich verstehen, was ihm der Anrufer mitteilen wollte.
Er rannte zurück ins Wohnzimmer. Aus Leibeskräften schmetterte er dem vielstimmigen Jubelchor entgegen. »Wir müssen sofort los! Ich glaube, wir haben ihn gefunden.«
15
Alle vier Ermittler spurteten zu ihrem Dienstwagen. Sabrina setzte sich ans
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