Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
Vom Netzwerk:
quälender Moment der Stille. Habe ich schon wieder etwas Verdächtiges gesagt?, konnte Ari noch denken, da nickte die Frau überraschenderweise.
    »Kinder, die bestimmte Erfahrungen gemacht haben, lernen diese Kunst.«
    Ari fragte sich, ob das bedeutete, dass man ihm glaubte. Er fasste den Mut zu fragen, ob die Besucher einen Kaffee wollten. Die Sozialarbeiter lehnten ab, bedankten sich aber mit angemessener Höflichkeit. Die Polizisten schüttelten stumm die Köpfe wie Kinder. Die Atmosphäre war trotzdem freundlicher geworden.
    Ari nahm die Tafel Schokolade vom Tisch, bot etwas davon an, begriff dann, dass er der Amtsgewalt gerade ein potenzielles Beweisstück vor die Nase hielt. Zu seiner Erleichterung schien die Polizeistreife lediglich eine Tafel Schokolade darin zu erkennen, so zögernd wie sie der Verlockung widerstanden. Auch Petri Salmi schüttelte den Kopf, aber die Frau nahm ein Stück. Ari deutete das als eine Art Befreiung vom akuten Tatverdacht.
    »Ihr Job ist sicher auch nicht immer ganz leicht?«, fragte Ari und bot ein zweites Stück Schokolade an.
    Die Frau nickte leicht. »Mal so, mal so.«
    »Wie hält man das aus?«, fuhr Ari fort, halb um sich beliebt zu machen, halb aus echter Neugier.
    Der Blick der Frau war mehrdeutig. Amüsiert? Verärgert?
    »Solange man etwas tut ... Solange man etwas tun kann, ist es ...«
    Sie bewegte den Kopf hin und her, zum ersten Mal zögerte sie wenigstens ein bisschen.
    »Solange man etwas tut ... ist es okay«, antwortete Katri Korhonen. »Man muss sich nur auf den jeweiligen Fall konzentrieren.«
    »Keine Gefühle?«
    »Gefühle unter Kontrolle.« Die Antwort kam schnell, beinahe aggressiv. »Man muss in der Lage sein, sich selbst zu beruhigen. Zum Beispiel indem man daran denkt, dass ein kleines Kind nicht ewig weinen kann.«
    Ari empfand die Aussage nicht als sonderlich beruhigend, er musste wieder an die Hämatome des Jungen denken, und seine mitfühlende Miene gefror. Die Frau bemerkte seine Reaktion.
    »Vielleicht hat es bei ihm daheim Streit gegeben, und jetzt hat er sich doch wieder nach Hause verkrümelt«, sagte sie, mit einer Spur Wärme in der Stimme.
    Sie gab Ari ihre Karte, für den Fall, dass sich noch etwas ergäbe.
    Ari schaute auf die Visitenkarte. Er kam sich vor wie ein Idiot.
    »Ich wünsche Ihnen eine ruhige Nacht!«, sagte Katri Korhonen zum Abschluss des Gesprächs.
    »Ebenfalls.«
     
    Ari schaute aus dem Fenster. Hier und da brannte Licht. Irgendwo da draußen gab es einen kleinen Jungen. Wenig Licht, viel Dunkelheit.
    Womöglich hatte die Frau ihn für einen kompletten Holzkopf gehalten.
    Niemand ist vollkommen. Vielleicht könnte er diesen Satz aus Manche mögen’s heiß klauen. Für das Ende seines Filmskripts. Oder für den Roman. Sozusagen als Hommage.
    Ari nahm das Manuskript zur Hand. Dem Schluss fehlte wirklich noch etwas, und es wäre gut, bei der Besprechung am nächsten Tag etwas in petto zu haben.
    Er kehrte zu seiner morgendlichen Idee zurück: Zeitsprung, fünf Jahre später. Begegnung Heikki und Elena am Meeresufer. Irgendwie streifen sie die Vergangenheit. Und dann ...
    Er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
    Er ging in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen, fing an, einen Apfel zu essen. Erst da bemerkte er die Plastiktüte.
    In einer Ecke der Küche lag eine Plastiktüte, die Tüte des Jungen. Ari schaute kurz hinein. Die Sachen aus dem Supermarkt.
    Er schob die Tüte in die Ecke zurück.
    Sekunden später gab er der Neugier nach. Er stellte die Tüte auf den Tisch, den Inhalt kannte er aus dem Laden: Brot, Nüsse, Saft, Würstchen und die Bonbontüte. Auf jedem Bonbonpapier ein Fuchsgesicht. Fuchsbonbons. Dann noch etwas, was er im Supermarkt nicht gesehen hatte: eine undurchsichtige Plastikflasche. Laut Etikett enthielt sie flüssigen Grillanzünder. Am Schwappen hörte Ari, dass sie nicht mehr ganz voll war. Wofür brauchte der Junge denn so etwas, in der Stadt?
    Ari überlegte. Würde er den Jungen je wieder sehen? Er wollte sich nicht an den Sachen des kleinen Kerls vergreifen, aber es war auch nicht schön, sie wegzuwerfen.
    Er legte die Würstchen in den Kühlschrank und stellte die Tüte mit dem restlichen Inhalt auf einen Stuhl. Da war sie griffbereit, falls der Junge käme und nach seinem Proviant fragte. Zum Glück hatte der Kleine noch ordentlich gegessen, dachte Ari.
    Er versuchte, nicht an den kleinen Jungen draußen in der Nacht zu denken. Er ging von einem Zimmer ins andere und dachte

Weitere Kostenlose Bücher