Bonbontag
Flasche und drückte die Tür zu.
Der Abend im Kasten, die Vorlesung im Kasten. Nur noch ein bisschen Feilen.
Sie entschied sich für ein hohes Glas. Stabil, aber schön. Goss ein, dass es perlte.
Bittere kalte Süße.
Die Bonbontüte und der verschwundene Junge. Immer blieb ein Fall offen.
Nachdem sie von dem Hausbesuch zurückgekehrt waren, hatte sie den Text im Dienstordner noch einmal gelesen. Die rote Kobrahexe, Doc Kilmoh und das kleine Mädchen. Ziemlicher SciFi.
Während sie mit Petri unterwegs gewesen war, hatte Sanna nachgesehen, was in den letzten Wochen für Meldungen aus der betreffenden Gegend eingegangen waren, hatte aber keine passende gefunden. Vermutlich müsste man sich einen längeren Zeitraum vornehmen.
Die Adresse, die der Anrufer angegeben hatte, war tatsächlich nicht weit von dem Haus entfernt, das sie aufgesucht hatten. Aber wie Petri schon gesagt hatte: na und?
Vielleicht war das die Müdigkeit. Oder sie war überdreht. Die Dinge gerieten ihr im Kopf durcheinander.
Trotzdem. Sie würde das Jugendamt des Bezirks anrufen. Am Nachmittag, vor Dienstbeginn. Sie würde fragen, ob dort Meldungen eingegangen waren. Dieser Gedanke beruhigte sie. Aktiv werden, Lösung herbeiführen, fertig, aus.
Sie musste gähnen. Besser schlafen gehen. Die halbe Flasche Cider hatte ihren Zweck erfüllt.
Katri stellte die Flasche in den Kühlschrank zurück, schlich leise in den ersten Stock, um nach den schlafenden Mädchen zu sehen. Das Zimmer war durch ein Regal geteilt. Auf Saaras Seite glich das Bett einem Zoo, die Kleine schlief inmitten von allen denkbaren Stofftieren, Hasen, Hunden, Katzen und Bären. Katri schob sie ein wenig zur Seite und legte die Hand des Mädchens unter die Zudecke. Marja wiederum hatte die Zudecke von sich getreten und hielt ihr Kopfkissen mit beiden Händen fest. Über ihrem Kopf starrte ein Vampirjüngling bleich von einem Poster herab. Katri deckte Marja nur zur Hälfte zu, sie klagte immer, ihr sei zu heiß. Jetzt drehte sie sich etwas, nahm dann aber wieder ihre ursprüngliche Haltung ein.
Am Morgen würden sie die restlichen Sachen packen. Und die Schlittschuhe vom Schleifen abholen. Katri empfand Zärtlichkeit, auch daran hatte Risto gedacht. Frisch geschliffene Schlittschuhe warteten auf die Mädchen. Würde sie es noch schaffen, vor ihrer Abfahrt aufs Eis zu gehen? Wenigstens kurz? Dann würde sie sehen, wie den Kindern die neuen Schlittschuhe passten.
Sehen. Die sichtbaren Kinder ... und die unsichtbaren.
Katri schlüpfte neben dem fest schlafenden Risto ins Bett, berührte leicht seinen Rücken. Für einen Augenblick empfand sie Lust, dann kam die Müdigkeit über sie.
16
Ari stand vom Bett auf, machte einen Schritt zur Seite. Erst dann begriff er, was er da sah. Es war der Junge.
Er wirkte erschrocken, deutete hinter sich, auf den Schrank.
»Ich hab in die Hose gepinkelt, weil ...«, erklärte er. »Ich glaub, ich bin eingeschlafen, und dann ... dann hab ich vergessen, wo ich bin ... und weil die Taschenlampe nicht gebrannt hat ...«
»Okay, okay, kein Problem«, beteuerte Ari, auch sich selbst gegenüber.
Er blickte in den Schrank.
Verdammter Mist, dachte er.
Der Junge hatte halbsitzend auf den Schuhkartons und dem offenen Karton mit den Zeitschriften ausgeharrt.
»Der ist, glaub ich, ein bisschen nass geworden«, sagte er.
Ari nahm den Zeitschriftenkarton aus dem Schrank. Die Flüssigkeit war am Rand entlang bis zum Boden gelaufen.
Der Boden brach ein, die Zeitschriften fielen heraus. Ganz oben landeten zwei Jahre alte Verlagskataloge, die wegen ihres glatten Einbandes sogleich zur Seite rutschten.
Ari wurde rot wie ein kleiner Junge.
»Was haben wir denn da, alte Zeitschriften, die können weg.«
»Nackte Frauen«, meldete der Junge.
Ari murmelte etwas von Männerzeitschriften und Mist.
»Mein Vater hat auch so welche«, sagte der Junge fachmännisch.
Ari brachte die Zeitschriften in die Küche und stopfte sie in eine Plastiktüte. Der Junge folgte ihm, wachte über jeden Schritt. Ari blickte auf den Stapel, griff nach einem Heft, traute sich aber doch nicht, es zu retten.
Er merkte, wie der Junge an seiner Hose zog.
In die Hose gepinkelt.
»Willst du vielleicht ins Bad gehen ...«, schlug Ari vor. »Vielleicht finde ich eine Trainingshose von Anni oder so.«
Der Junge dachte angestrengt nach, was er antworten sollte. Man sah deutlich, dass es nicht angenehm war in der nassen Hose.
»Wir waschen schnell deine Unterhose ... bis morgen
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