Bonbontag
dazugehörigen Väter?«
Natürlich war das eine Komödie, aber eine mit einem ernsten Kern. Der Wunsch des Menschen, Nachwuchs zu bekommen. Jemanden, an den man weitergibt, was man kann und weiß.
Jetzt ein erhabener, heller Gedanke, irgendein kurzes Aufblitzen, etwas Warmes, etwas Vages. Was konnte er? Was konnte ein Mann seiner Tochter beibringen, einem Mädchen? Die kleinen Räder drehen sich, und er rennt hinterher, hält fest, lässt los und hält kurz vorm Umkippen wieder fest. Bis es nicht mehr nötig ist. Anni war ängstlich gewesen, hatte als Letzte unter ihren Gleichaltrigen das Fahrradfahren gelernt, aber dafür war die Freude umso größer gewesen.
Doch allmählich gibt es Tag für Tag immer mehr Dinge, von denen er nichts weiß, sie gehören zum Gebiet der Mutter, welches wächst und wächst. Noch liest er Anni abends vor, liest so lange, wie sie bereit ist, ihm zuzuhören. Noch darf er ihr den Rücken reiben, sie in den Schlaf streicheln.
Aber jetzt durfte er nicht wehmütig werden. Alles war unter Kontrolle, alles war gut. Und Anni und Leena waren in Pohjanmaa im Schnee. Damit er sich konzentrieren konnte.
Her mit dem Manuskript. Die Schlussszene. Er hatte versprochen, sich noch einmal Gedanken über den Schluss zu machen. Joel hatte ihn darum gebeten, für alle Fälle, damit sie in der Besprechung etwas Neues vorzuweisen hätten.
Zuerst frühstücken. Eine frisch gekaufte Paprika war im Kühlschrank verschimmelt, ein kleiner Verdruss, aber einRoman scheitert nicht an einer Paprika. Das Zeitunglesen dauerte ein bisschen zu lange. Allerdings hatte der Artikel über die verschiedenen Methoden künstlicher Befruchtung und die Kostenübernahme durch die Krankenkasse direkt mit dem Thema zu tun. Er schnitt ihn aus.
Jetzt. Die große Abrechnung am Schluss. Heikki redet sich alles von der Seele. Ist der Ton hier noch ein bisschen zu pathetisch? Etwas Luftigeres müsste her, eine Szene. Zum Beispiel eine Begegnung nach vielen Jahren? Heikki sitzt bei seiner Adoptivtochter am Sandkasten, da ...
Kaffee, dachte Ari, eine Tasse Kaffee, und es denkt sich gleich viel besser. Sehr sorgfältig maß er zwei Tassen in die Maschine ab, gab noch ein paar Krümel hinzu und nahm gleich darauf ebenso viel wieder weg.
Zwischen den Wohnblocks draußen war es fast menschenleer. Jemand, der nicht zur Arbeit musste, ging quer übers Areal in Richtung Einkaufszentrum, vielleicht einer, der Spätschicht hatte, oder ein Student oder einer, der aus irgendwelchen Gründen arbeitsunfähig war. Schon meldete sich bei Ari das altbekannte Schuldgefühl. Er gammelte in Jogginghosen in der Wohnung herum, während die Mehrheit der Bevölkerung einer anständigen Arbeit nachging. Andererseits mochte die männliche Person da unten, die leicht torkelnd ihres Weges ging, ein Schicksalsgenosse von ihm sein, ein »Freiberufler«. Immerhin war dieses untypische Arbeitsverhältnis inzwischen doch ziemlich typisch.
Aber gut. Die Aufmerksamkeit von sich selbst ablenken, wie es im Drehbuchseminar immer hieß. Oder wie war das noch? Durch sich selbst hindurch, aber aus sich heraus. Wahrnehmungen.
Die Dunkelheit der Nacht war weg. Eine Wohnsiedlung, ein bewölkter Vormittag ... Trostlosigkeit. Nein. Nicht solche Wörter, keine Beklemmung, keine Angst. Nur Wahrnehmungen. Genaue Beobachtungen.
Ari sah nach draußen. Die Schneeschicht war bescheiden, hier und da lugte Erde hervor, ein Stück Rasen. In den Farben braun, grün und schlamm. Wieder mal ein miserabler Winter.
Klimaveränderung ... könnte man die irgendwie hineinbringen? Adoption und Klimaerwärmung. Klimaerwärmung und künstliche Befruchtung. Irgendwas Globales, irgendwas Persönliches.
Der Spätwinter vor neun Jahren und die riesige Erleichterung. Die zurückgehaltene riesige Erleichterung, als der Arzt sagte: diesmal ja. Kein weiteres faules Ei, keine Störungen, die Schwangerschaft hatte begonnen. Damals schmolz etwas, schmolz während der Zeit des Wartens und noch einmal, als Anni zur Welt kam.
Als wäre man in ein anderes Land gereist, in ein anderes Klima. Mit frischerer Luft ... Ein Band mit Erzählungen war in jenen ersten Jahren fertiggeworden. Die schlaflosen Nächte hatten sich in hysterisch sprühenden Geschichten entladen, wie es in den Kritiken hieß.
Aber jetzt war wieder ein lauer Winter angesagt.
Konzentriere dich!, befahl sich Ari. Klimaveränderung!
In gewissem Maße machte er sich schon Sorgen wegen der Umweltverschmutzung und wegen des Klimas. Er war
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