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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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Müllsammelstelle herum. Zehn, zwölf Jahre alt, der ein oder andere vielleicht auch älter. Er wäre in dem Alter irgendwo beim Schlittschuhlaufen gewesen.
    Dann wurde er auf eine geschminkte Frau aufmerksam, die auf dem verkrusteten, unebenen Schnee das Gleichgewicht zu halten versuchte. Sie rief jemandem, den Ari nicht sehen konnte, etwas zu, während sie mit zu leichten Schuhen die Abkürzung quer übers Gelände zu nehmen versuchte. Jetzt drehte sie sich um, ging zum asphaltierten Weg zurück und auf die Kinderschar zu.
    Die Frau kam Ari irgendwie bekannt vor. Aus der Entfernung konnte er ihr Gesicht nicht genau erkennen. Sie war schick angezogen, der rotbraune Mantel wie maßgeschneidert, außerdem Ton in Ton mit den roten Haaren. Gute Haltung. Sie ... die kleine Ballerina! Annis Klassenkameradin. Das Mädchen machte Ballett. Und das war ihre Mutter. Einmal hatte Ari beim Elternabend ein paar Worte mit ihr gewechselt.
    Ziemlich attraktive Frau. Aber jetzt durfte weder nach links noch nach rechts geschaut werden. Der Roman!
    Ari ging weiter, blickte sich aber noch einmal um. Die Frau redete mit den Kindern, länger traute er sich nicht hinzustarren.
    Jetzt den Kopf klarkriegen.
    Dem Meer entgegen, würde Ari in seinem Roman schreiben.
7
    Paula saß im Auto, die Hand am Zündschlüssel.
    Jetzt war doch alles in Ordnung. Oder?
    Als sie am Wagen war, hatte sie im Außenspiegel gesehen, dass der Junge noch immer vor dem Haus stand. Er hatte auf Mirjas Fenster gestarrt, der blöde schmutzige kleine Kerl.
    Paula war stehen geblieben und hatte sich umgedreht. Wie konnte der Bengel es wagen, an ihren Worten zu zweifeln! Sie hatte ihn so lange angeschaut, bis er zu ihr herüberblickte. Dann war er erschrocken und in den Eingang des gegenüberliegenden Hauses gehuscht.
    Damit sollte alles klar sein.
    Alles wäre klar, wenn die Dinge liefen, wie sie laufen sollten.
    Sei erwachsen!, befahl sich Paula. Analysiere!
    Die Oma sind wir los, aber ihr Enkel ist als Störenfried zurückgeblieben. Aber was könnte ein einsamer kleiner Junge schon ausrichten? Sollte man ihn für alle Fälle trotzdem melden? Die Sozialtanten würden ihn schon aus dem Verkehr ziehen. Aber bei der Gelegenheit würden sie womöglich auch ihr, Paula, auf die Pelle rücken.
    Paula sah auf die Uhr, es war höchste Zeit. Sie drehte den Schlüssel, der Motor sprang an, das Radio folgte lautstark. »Der erste Schnitt ist der tiefste«, sang jemand auf Englisch.
    Wieso der tiefste? So ein Quatsch. Der erste Schnitt trennt die Oberfläche auf. Der zweite Schnitt aber ... Der ist kein Versehen mehr. Kein Zufall.
    Sie hielt an der Ampel an. The first cut is the deepest , immer wieder von neuem.
    Das erste Mal, wenn etwas wehtut. Wenn einem jemand wehtut.
    Hinter ihr hupte ein Auto. Sie schreckte auf, fuhr ohne Eile los, während erneut gehupt wurde. Wie eine Fanfare.
    Das erste Kind. Das einzige Kind.
    Es stimmte schon. Das erste Kind ist das tiefste. Das, dem man alles geben möchte. Alles, das ganze Leben, in der richtigen Ordnung. Schön.
    Ein heiles Leben.
    »Ich will zu Papa.«
    Der erste Schnitt, der erste Vertrauensbruch. Der ist schwer zu verzeihen. Und den flicken wir gerade.
    Bruch des Vertrauens. Konsequenzen. Wiederherstellung des Vertrauens.
    Dabei hätte sie dem Kind alles geben wollen. Erkenntnisse und Erfahrungen. Gute, schöne, pädagogisch wertvolle Aktivitäten in der Freizeit. Durch diese dann Freundinnen, gute Freundinnen. Eine echte Freundin.
    Und dann taucht hinter den Mülltonnen dieser kleine, schmutzige, kümmerlich wirkende Junge auf, angestiftet von seiner bescheuerten Oma.
    Sie hatte das Gefühl, getäuscht worden zu sein. Wohnten in dieser Gegend solche Loser?
    Ende des Sommers hatte Mirja angefangen, mit dieser Kreatur zu spielen. Mangels Alternative. Die Schule hatte noch nicht angefangen, aber die Arbeit hielt Paula in der Stadt fest. Machst du keinen Urlaub?, wunderten sich die anderen oder taten wenigstens so. Aber sie wusste, was man von ihr erwartete.
    Es war ihr nichts anderes übrig geblieben, als das Kind alleine zu lassen, dort, zwischen den Häusern. Während sich die anderen Kinder in wer weiß was für Sommerparadiesen aufgehalten hatten.
    Auch der Junge war zwischenzeitlich weg gewesen, aber vor Schulbeginn wieder zurückgekommen.
    Der Herbst war wie im Traum vergangen. Dann kam das Erwachen. Die kleine Episode, der das wichtige Gespräch zwischen Mutter und Tochter folgte. Und da mussten sich dann fremde Leute

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