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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
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einmischen.
    Die Spitzeloma steckte dahinter. Vor zwei Tagen kam es heraus. Alles in allem eine lohnende Erfahrung. Man wächst als Mensch, bringt sich auf Höhe der Lage.
    Zuerst tauchte der Junge auf, dem der Rotz aus der Nase lief. Die Alte kam hinterhergetrippelt, hustend, dass es nur so spritzte, und ging direkt zum Angriff über. Muss ich schon wieder anrufen?, fragte die Spitzeloma.
    Schon wieder. Großartiges Wort.
    Da entstand dann gleich ein richtig gutes Gespräch.
    Schon wieder? Sie waren das also, die uns schon mal angeschwärzt hat? Anscheinend halten Sie sich für die geeignete Betreuerin eines Grundschülers, wie? Tolles Gespann. Eine Frau im fortgeschrittenen Alter, die sich wirr benimmt, und ein hungriger kleiner Junge in Lumpen. Zuerst mit krummem Rücken die klimpernden Tüten für die Oma schleppen und dann andere Kinder ärgern. Wo kommt so ein Störverhalten eigentlich her? Was passiert denn in eurer dunklen Wohnung? Sollte man deswegen mal jemanden anrufen?
    Da rannte sie davon, die Alte, und hielt sich das Herz.
    Den Raum unter Kontrolle bringen, den Raum optimieren. Menschenkenntnis. Persönliches Wachstum.
    Die Alte ist jetzt versorgt, denn ein Krankenwagen war da. Komisch, dass sie den Jungen nicht mitgenommen haben. Gibt es nicht inzwischen in jedem Viertel ein Kinderheim?
    Der Junge schien ziemlich allein zu sein. Nie in Gesellschaft anderer Kinder. Außer mit Mirja. Ein Schwätzer war er nicht, immerhin. Aber neugierig. Naseweis. Und wer naseweis ist, kriegt leicht eins auf die Nase.
    Wer ...
    Plötzlich sah sie den Jungen lebhaft vor sich. Den stieren, gierigen Blick.
    Ein kleiner Teufel.
    Sie bremste, fuhr an den Straßenrand.
    Sie wartete auf eine Lücke im Verkehr, vergeblich, machte dann eine schnelle Wendung um hundertachtzig Grad. Wieder wurde gehupt, doch das war ihr einerlei.
    Es ist nicht alles in Ordnung, bloß weil sie sich das denkt. Typischer Fehler, rügte sie sich.
    Wenn der erste Schnitt nicht wirkt, muss man tiefer schneiden.
    Paula bog wieder auf das Grundstück ein und fuhr auf ihren Stellplatz. Sie sah den Jungen sofort. Er ging sehr langsam vom Nachbarhaus aus über den Hof. Auf das Treppenhaus zu, in dem er nichts verloren hatte.
    Paula war zufrieden und raste doch innerlich. Sie war nicht umsonst zurückgekehrt. Der kleine Mistkerl. Was für Eltern hatten so etwas großgezogen? Der hat von seiner spionierenden Oma gelernt.
    Sie stieg langsam aus dem Wagen, tat so, als ginge sie in die andere Richtung, wollte nicht, dass der Junge sie bemerkte. Sie würde ihn an der Haustür überraschen, ihn richtig erschrecken, ihm die Telefonnummer seines Erziehungsberechtigten abknöpfen, mit einem Anruf drohen.
    Der Junge näherte sich langsam dem Treppeneingang. Er schien Angst zu haben, umso besser.
    Dann blieb der Bengel stehen.
    Paula verlangsamte den Schritt, war aber bereits zu nahe herangekommen. Der Junge witterte sie, irgendwie spürte er ihre Nähe.
    Der Junge blieb stehen. Paula blieb stehen. Der Junge schaute zur Seite, erschrak. Sie sahen einander an.
    Lächelte er? Plötzlich war sich Paula sicher, dass der kleine Teufel lächelte.
    Sie verließ den geräumten Weg, ihre Absätze stachen durch die dünn gefrorene Schneeschicht. Der Junge wich zurück, drehte sich um, rannte ein paar Schritte. Paula beschleunigte, trat in eine Mulde, Schnee drang ihr in den Schuh.
    Verdammt.
    Der Junge hatte bereits das Nachbarhaus erreicht, blieb stehen und schaute sich um.
    »Ich weiß, wo du wohnst!«, rief Paula.
    Sie musste fast lachen. Was für eine Mafiosa war sie denn? Sie wollte dem Jungen bloß ein paar sorgfältig ausgesuchte Worte sagen. Ihm die Spielregeln klarmachen. Dass er Mirja in Ruhe lassen soll.
    Paula spürte den Schnee im Schuh schmelzen. Sie kehrte auf den geräumten Weg zurück, zog vorsichtig den Schuh aus, balancierte auf einem Bein, kippte den restlichen Schnee aus dem Schuh und stellte ihn vor sich hin. Schlüpfte hinein.
    Sie hörte Getuschel. Man schaute sie an. Vor dem funkelnagelneuen Unterstand für die Mülltonnen standen Kinder oder Jugendliche, Jungen und ein paar Mädchen, zehn- bis zwölfjährige, der eine oder andere auch älter. Sahen sie an und grinsten, vielleicht kicherte auch einer. Aber als sie zurückschaute, grinsten sie nicht mehr.
    Paula ging auf die Gruppe zu, zauberte ein Lächeln auf die Lippen, sie wollte den Schwarm nicht verschrecken, versuchte sogar Wärme in den Blick zu legen, sie war die Freundin dieser kleinen

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