Bondage (German Edition)
Scheuerspuren, die durch die Fesseln und die Kette am Fuß beziehungsweise an den Handgelenken entstanden sind, mitgenommen. Also, das wird mir hier langsam zu strange , stelle ich fest. Ich bin ja viel gewöhnt, aber das ist langsam wirklich sehr seltsam.
Als ich durch die Tür trete und in den Raum schaue, in dem die zwölf Götterstatuen auf ihren Sockeln stehen, trifft mich wirklich fast der Schlag. Als ich diesen Ort verlassen habe, standen alle Statuen mit ihrem Gesicht zur Mitte des Raums. Die doppelflügelige Tür am Ende desselben war verschlossen. Ansonsten war nichts Besonderes zu sehen.
Jetzt jedoch stehen die Statuen auf ihren Sockeln kreuz und quer, als hätte jemand an ihnen gedreht, die Tür ist sperrangelweit offen und an genau der Stelle, an der man stehen müsste, wenn man die Statuen drehen möchte, sind vor vier Statuen schwere Steinblöcke auf den Boden des Saals gestürzt. Unter Dreien dieser Steinblöcke sickert Blut hervor, was mich vermuten lässt, dass drei Leute von den Steinblöcken erschlagen worden sind. Die Teile der Zerschmetterten, die unter den Steinen hervorragen, lassen darauf schließen, dass es sich um Angehörige von Carlos’ Bande handelt. Und damit das Ganze so richtig tödlich ist, ist auf einen der vier Steine noch ein Zweiter oben drauf gefallen.
Wenn man nämlich glaubt, die Falle, die man umgehen möchte, sei ausgelöst worden und man habe den Stein umgangen und könnte nun in Ruhe weiter an der Statue drehen oder sonst was tun, fällt der nächste Stein nach. Auch hier hat es ein Opfer gegeben, und auch hier handelt es sich eindeutig um einen Mann von Carlos. Der Kopf, der oben zwischen den Steinplatten herausragt, ist der Kopf des Typen, mit dem ich die letzten Male in meinem Gefängnis zu tun hatte, und der sich einen Spaß daraus gemacht hat, mich zu schlagen.
Ich widerstehe nur knapp der Versuchung, ihn einmal anzuspucken, schließlich hat er seine gerechte Strafe gerade erhalten, und außerdem ... das ist nicht mein Stil, nein, das bin nicht ich. Ich muss mich ruhig verhalten und mich beherrschen, sonst drehe ich vor Angst durch.
Als ich mich ein zweites Mal umschaue, fällt mir auf, dass dieser Typ, der sich mir als „Horus“ vorgestellt hat, als Einziger in genau der Position auf dem Steinsockel steht wie gestern. Die Tür, durch die er mich geführt hat, ist verschwunden. Als ich näher an die Falkenstatue herantrete, bemerke ich, dass sie tatsächlich aus Stein ist, um genau zu sein, aus Sandstein, wie die Tastprobe ergibt.
Kalter Sandstein, um noch genauer zu sein. Ich beschließe, jetzt nicht an der Statue zu drehen, um herauszufinden, wie lange es dauert, bis mir auch so ein Sandsteinblock auf den Kopf fällt, sondern stattdessen lieber durch die offen stehende, doppelflügelige Tür zu gehen. Schließlich will ich hier nicht überwintern, sondern raus ... weswegen ich vielleicht auch darauf achten sollte, dass ich Carlos nicht in die Arme laufe. Die offene Tür spricht nämlich dafür, dass Carlos genau diesen Weg genommen hat.
Der blöde Gang macht recht bald eine Biegung, und dann kommt eine Abzweigung nach rechts. Ich habe absolut keinen Schimmer, welchen Weg Carlos und seine Leute genommen haben könnten, daher laufe ich einfach mal nach rechts. Rechts ist mir sympathischer, stelle ich fest.
Na prima, jetzt entscheide ich schon nach Sympathie, welchen Weg ich nehme. Besser kanns ja gar nicht mehr werden ... demnächst nehme ich vielleicht noch einen Gang, weil mir die Steine im Boden besser gefallen, wie? Die Steine hier sind übrigens ausgesprochen hübsch, fällt mir auf. Flach und klein, wie Kopfsteinpflaster. Also, wenn Carlos Schuhe mit hohen Absätzen tragen würde, wäre er bestimmt schon dreimal hier auf die Schnauze geflogen. Nicht, dass ich ihm das nicht gönnen würde, oder so, schließlich hat allein die Vorstellung einen gewissen Unterhaltungswert ...
Ich laufe also ein paar Stunden völlig planlos durch irgendwelche Gänge, und mir ist längst klar, dass ich mich hier drinnen rettungslos verlaufen habe. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Weg zurück in mein Gefängnis finde, ist auch verschwindend gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass Carlos mich erwischt und opfert, ist wesentlich höher.
Zwischendurch ist immer wieder mal Carlos’ Stimme zu hören. Die ersten Male habe ich mich noch furchtbar erschrocken, weil ich dachte, Carlos und Co. stünden hinter der nächsten Biegung, aber nach einer Weile ist mir dann
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