Bondage (German Edition)
gerade einer Fata Morgana auf den Leim gegangen bin, habe ich unterschiedliche Farben gesehen. Eine der Pyramiden, die rechts unten, ist sandfarben, die links unten, von uns aus gesehen, ist rot, eine, die etwas dahinter ... darüber ... zu liegen scheint, ist dunkelblau – ja, ich habe meine Augen gerieben, aber immer noch eine dunkelblaue Pyramide gesehen – und die vierte Pyramide, die irgendwie in der Mitte zu liegen scheint, ist tiefschwarz. Ich nicke, ganz in meine Betrachtungen versunken.
„Hast du eine Ahnung, in welcher der Pyramiden Brix sein könnte?“, frage ich Nora, als wir am frühen Abend den Platz erreichen, den Nora uns als Lagerplatz zugedacht hat.
Wir sind zuvor abgestiegen und haben unsere Kamele über einen schmalen Pfad am Zügel bergab geführt, was deutlich schwer gewesen ist, denn der Weg war schmal und das Geröll, das links und rechts des Weges gelegen hat, ist beziehungsweise war eine potenzielle Unfall- und Gefahrenquelle. Was ein stürzendes Kamel bedeutet hätte, mag ich mir gar nicht ausmalen. Wir haben jedenfalls circa einhundert Höhenmeter zurückgelegt, als Nora mir eine Stelle zeigt, an der sich ein seltsamer Felsvorsprung befindet. Auf diesem ist kein Sand oder Geröll zu finden, nur vom Wind oder sonstigen Instrumenten geschliffener Stein. Zwei Krüppelgehölze bieten genügend Nahrung für ein Feuer, das Nora direkt vor dem Eingang zu einer riesigen dunklen Höhle entzündet.
Ich habe dabei ein schlechtes Gefühl, kann es aber nicht zuordnen, sondern verspüre eher latente Gefahr und – Schutz. Machtvollen, alten Schutz, aber es fühlt sich nicht wie Sachmedia an, sondern ... anders. So stimme ich Nora schweren Herzens zu, nicht ohne mir den Eingang zur Höhle angeschaut zu haben. Ich möchte ungern Carlos’ Leuten in die Hände fallen, wenn sie irgendeinen unterirdischen Gang, der möglicherweise genau in dieser Höhle endet, entlanglaufen und plötzlich in unserem Rücken stehen.
Doch in der Höhle sind nicht die geringsten Spuren menschlichen Lebens vorhanden, und nach zwanzig, dreißig Metern ragt ein dunkler Schacht vor uns auf, der die gesamte Breite des Raums einnimmt und beinahe dreißig Meter tief ist. In der Höhle selbst ist die Decke zehn Meter hoch, ebenso wie die Höhe des Höhlenausgangs. Das Ganze ist beinahe fünfzig Meter breit, sodass wir unsere Kamele und unsere Habe dort problemlos während eines Sturms verstecken könnten.
Eher aus Langeweile nehme ich einen der Kiesel, die ich beim Weg hinab in meine Tasche gesteckt habe, und lasse ihn in den Schacht fallen, weil ich wissen möchte, wie tief dieses Loch ist. Ich zähle.
„Eins ... zwei ... drei ... vier ... fünf ... sechs ...“ Als ich bei vierzig immer noch keinen Aufschlag oder kein Platschen vom Stein gehört habe, beschließe ich, dass es ein guter Plan sein wird, diese Höhle nur im absoluten Notfall zu betreten, und kehre nach draußen zu den anderen zurück, wo Nora gerade ein Stück unserer Marschverpflegung auf den Spieß steckt, den sie mitgenommen hat. Scheint, als würde es wenigstens ein vernünftiges Abendessen geben, bevor wir alle wie gehabt Wache halten müssen.
Ich bin als Erster dran und nach mir Lars. Bevor sich die anderen schlafen legen, schärfe ich ihnen ein, keinesfalls einzuschlafen, denn wir säßen für alle möglichen Feinde sozusagen auf dem Präsentierteller. Dann ziehe ich mich an den Rand des Plateaus zurück, wo ich die ganze Gegend so gut wie möglich beobachte und versuche, mir die lokalen Gegebenheiten einzuprägen.
Nach einer knappen Stunde werden unsere Kamele unruhig, eins schüttelt sich und ein anderes brüllt leise, aber dann herrscht wieder Stille. Unten im Tal wird ein Licht entzündet und anscheinend von der schwarzen Pyramide in die dunkelblaue getragen. Dann ist wieder alles ruhig.
Kapitel Vierundzwanzig
Eine Fremde
Der Wind singt. Leise, aber ich kann es vernehmen, so wie ich alles höre, was hier in dieser Wüste geschieht. Manches nicht sogleich, aber der Wind ist ein treuer Geselle, er trägt jede Nachricht mit sich fort und zu mir ... irgendwann, wenn es an der Zeit ist.
Ich habe lange Zeit geschwiegen.
Die Welt um mich herum wuchs und wurde älter. Sie wandelte sich, aber das störte mich nie. Solange meine Ruhe nicht gestört wurde. Es ist lange her, als dies das letzte Mal geschah. Meine Kinder sorgten rechtzeitig dafür, dass mir niemand zu nahe kam.
Ich habe lange Zeit geschwiegen.
Die
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