Bondage (German Edition)
uns auch nur zum Eingang des Tals eskortieren, sind sie mir ein willkommener Schutz vor den Schwierigkeiten des Überlebens in der Wüste. So kann ich mich in Ruhe darauf konzentrieren, wie Nora, Sven, Lars und ich möglichst unbeschadet und vor allem unentdeckt in das Tal hineinkommen, herausfinden, in welcher Pyramide Brix gefangen gehalten wird, ihn befreien und dann möglichst wieder unentdeckt und unbeschadet aus dem Tal herauskommen. Ein völlig illusorisches Unterfangen, wird mir klar. Alles in mir schreit mir zu, dass es auf eine Konfrontation hinauslaufen wird, hinauslaufen muss. Außerdem muss ich mich meinen Ängsten stellen.
Meine bloße Anwesenheit im „Tal der Katakomben“ reicht nicht aus, um den Weg zu erfüllen, den mein Schicksal mir vorgegeben hat. „Einmal Priester, immer Priester“, denke ich, und lächele bei dem Gedanken, dass Brix es war, der beinahe auch in diesem Leben unsere Liebe weggeworfen hätte – und dass ich es war, der in unserem vorherigen gemeinsamen Leben immer wieder auf meinen Status als Priester gepocht habe, statt um meine Liebe zu kämpfen. Wie gesagt, es wird Zeit, dass ich ein paar Dinge kläre und wiedergutmache.
Einen weiteren Vorteil hat es, dass Kemal und seine Männer uns begleiten: Wir können schlafen. Auf unserer bisherigen Reise seit unserer Landung in Serghet musste immer einer von uns des Nachts zwei Stunden Wache halten, um die anderen zu warnen beziehungsweise zu wecken, wenn zum Beispiel eine große Wüstenschlange in der Nähe gewesen wäre.
Ein-, zwei Nächte ist ein solches Wachen kein Thema, aber auf Dauer stört es den Lebensrhythmus ganz gewaltig. Wobei die erste oder die letzte Wache nicht unbedingt so problematisch ist ... schwierig wird es, wenn man die zweite oder dritte von vier Wachen zugeteilt bekommt. Dann nämlich schläft man – je nachdem, welche Wache man nun hat – zwei oder vier Stunden, um dann zwei Stunden Wache zu halten, und danach noch einmal vier oder zwei Stunden schlafen zu können. Und das zehrt ganz gewaltig.
„Wann, glaubst du, erreichen wir die Stelle, an denen ihr uns alleine lassen müsst?“, frage ich Kemal, während ich mir überlege, wie viel Zeit uns noch bleibt.
„Morgen Abend, kleiner Neffe“, erwidert mein Jugendfreund im eigentümlichen Singsang unserer Muttersprache. „Wir werden am Tor zum Tal auf euch warten und euch, wenn ihr zurück seid, bis nach Serghet bringen – es sei denn, du möchtest gern noch einige Tage mit uns in der Wüste verbringen“, bietet Kemal mir in fragendem Ton an.
Ich zucke bedauernd mit den Schultern. „Ich weiß es noch nicht, Kemal. Wenn alles gut geht, vielleicht ... wenn alles schief geht, ist es wahrscheinlich, und wenn das Ergebnis unserer Mission irgendwo dazwischen liegt, wie ich hoffe, dann werden Brix und ich es vermutlich sehr eilig haben.“
Und ich fürchte, ich habe recht. Selbst wenn es uns gelingen sollte, Brix zu befreien, wird Carlos’ Wut dadurch um ein Vielfaches gesteigert. Und wir werden vermutlich ein Leben lang vor ihm weglaufen müssen ... auch wenn ich das gerne täte, solange nur Brix an meiner Seite wäre. Über diesem Gedanken und den vielen verschiedenen Folgen grübelnd, erreichen wir unser Nachtlager.
„Shahin?“ Nora steht neben mir und schaut mich mit sorgenumwittertem Gesicht an. Seltsam. Diesen Gesichtsausdruck kenne ich nicht von ihr, er ist mir fremd, zumindest in Bezug auf meine Person. Wenn ich jetzt ein Schwein wär, würde ich sie misstrauisch beäugen, aber ich erwidere ihren Blick offen und so, als habe sie mich soeben aus meinen Gedanken gerissen, was ja auch richtig ist.
„Mhm?“, erwidere ich.
„Ich ...“ Nora scheint nach Worten zu suchen. „Ich ... wollte dir bloß sagen, dass ... ich glaube, ich habe mich geirrt. Du bist anders, aber du bist nicht schlecht.“
Ich nicke sanft, schaue ihr dabei in die Augen. „Danke.“
Mehr habe ich nicht zu sagen, und mein Blick genügt auch, um ihr zu sagen, dass das Thema für mich mit diesem einen Wort abgeschlossen ist. Klar, die Frau hat mich Nerven gekostet ohne Ende ... aber ich bin kein rachsüchtiger Mensch, und die Wetten und Spielchen mit Brix haben ja wohl kaum etwas mit Rache zu tun, zumindest nicht vordergründig. Und darum geht es jetzt auch nicht.
„Schlaft“, rate ich Lars und Sven, „Morgen Abend werden wir das ‚Tal der schwarzen Katakomben’ erreicht haben, und dann wird es wohl für einige Zeit keinen ruhigen Schlaf mehr geben.“ Ich werfe
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