Bondage (German Edition)
Pyramide steht sperrangelweit offen, innen brennen bestimmt dreißig Fackeln und erhellen den Eingangsbereich fast taghell. Nur ist keine Menschenseele hier. Allerdings fehlt auch das technische Equipment, das ich eigentlich erwartet hatte. Keine Kameras, zumindest keine, die man sieht, kein Strom, weder eine Neonröhre noch Steckdosen.
Ich war fest davon überzeugt, Carlos hätte hier eine Festung geschaffen, so wie Dr. No in dem Film auf der Insel. Aber es sieht alles so aus wie vor Abertausend Jahren, bis auf die Schleifspuren auf dem Fußboden und die Fackeln, die ganz gewiss keine Brenndauer von mehr als dreitausend Jahren haben.
Wir stehen in einem Vorraum, von dem aus vier Gänge nebeneinander in das Innere der Pyramide führen. In einem ist Fackelschein zu sehen, der näher kommt, und um der direkten Konfrontation zu entgehen, ziehen wir uns zunächst in den Gang zurück, der ganz links neben der Wand des Vorraums beginnt.
Kaum sind wir im Dunkeln verborgen, hören wir auch schon die schlurfenden Schritte von mindestens zwei Leuten, die aus dem beleuchteten Gang ganz rechts zuhören sind. Und keine Minute später können wir die Störenfriede auch sehen: drei Männer in dieser pseudomilitärischen Kleidung, jeder mit einer Pistole am Gürtel.
Ich lege demonstrativ meinen Finger auf die Lippen und lausche in den erleuchteten Raum.
„Ey, Machmud.“ Die Drei verhalten sich nicht so, als hätten sie gemerkt, dass wir hier sind. Anscheinend herrscht hier eine sehr lockere Atmosphäre, denn der Angesprochene zündet sich erst einmal eine Zigarette an, bevor er antwortet. „Eigentlich hätte ich Lust auf ne Nummer mit deiner Hure“, meint der erste Sprecher in provozierendem Ton.
Machmud zuckt die Schultern. „Wenn sie dich ranlässt ... ich hab nix dagegen, solange ich draufkann, wenn ich frei habe. Aber meinetwegen kannste ruhig jetzt dein Glück versuchen.“
„Stimmt“, grinst der Dritte, der bislang noch kein Wort gesagt hat, dreckig. „Solange der Boss weg ist, ist das doch eh scheißegal, was wir hier machen.“
„Das isses sowieso“, wirft der Mann ein, der Machmud heißt. „Wenn der so blöd ist, sich seine Geisel aus der Zelle entführen zu lassen, dann ist der auch zu blöd, ihn wieder einzufangen. Und wenn, dann dauert das. Ey, ich hab auch keinen Bock, hier Wache zu schieben. Kommt doch eh keiner her. Also lasst uns wieder reingehen, saufen.“
„Warte mal, ich muss pinkeln“, unterbricht der Dritte und kommt direkt auf unser Versteck zu.
Machmud schüttelt den Kopf. „Das würd ich nicht tun, Hassan. Wenn der Alte mitbekommt, dass ihm einer in den Zugang zum Tempeltrakt gepinkelt hat, dann wird er stinkig. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob er da nicht irgendwelche Sicherungen eingebaut hat, damit er sieht, wer sich da rumtreibt. Ich meine, seit der Mendelssohn da drin ausgerückt ist und der Alte ihm hinterher, wird er den Gang bestimmt vermint haben – oder so?!“ Mit diesen Worten schiebt er den dritten Typen in den Gang, aus dem sie gekommen sind, und dann hören wir, wie die Schritte sich entfernen.
Nora deutet auf die Schwärze hinter uns. „Da müssen wir rein“, flüstert sie mir zu.
„Ich hab's gehört“, raune ich. „Kannst du eventuelle Sicherungen aufspüren und für uns durchgängig machen?“
„Klar“, erwidert sie und grinst dabei, ganz so, als wäre ihr Sportsgeist geweckt.
Mit eingeschalteten Taschenlampen machen wir ein paar Schritte, bis ich fast eine Treppe hinabfalle, die ich nicht oder zu spät, um genau zu sein, gesehen habe. Zum Glück kann ich mich noch an einem etwas herausragenden Stein festhalten und abfangen. Ansonsten passiert mir nichts.
Wir gehen die Treppe hinab, die eigentlich nur aus ein paar Stufen besteht, und dann macht der Gang eine Biegung. Ab dieser Stelle brennen auch wieder Fackeln, und dann dauert es nicht lange, bis Nora die Hand hebt und auf eine unscheinbare Stelle im Fußboden deutet. Sie grinst, konzentriert sich kurz und bedeutet uns mit der Hand, weiterzugehen. Sie selbst folgt uns zum Schluss und macht eine runde Handbewegung, bevor sie sich wieder an die Spitze unseres kleinen Trupps setzt.
„Das war richtig leicht“, flüstert sie mir zu. „Das hättest sogar du hinbekommen, Betthäschen.“
Ich ziehe die Augenbrauen hoch, bis ich bemerke, dass es sich um einen Spaß gehandelt hat, und beruhige mich dann wieder.
„Das Risiko geh ich lieber nicht ein“, erwidere ich leise lachend, während wir weiter
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