Bondage (German Edition)
durch den Gang schleichen. Irgendwann stehen wir dann in einer Halle, die links und rechts je eine Ausbuchtung hat.
Gefängniszellen, wie Lars mit einem kurzen Blick feststellt. Allerdings sind beide leer, weswegen wir dem Gang, der am anderen Ende der Halle beginnt, weiter folgen.
Die nächsten drei Stunden sind wir damit beschäftigt, unzählige Meter Höhenunterschied zu überwinden, mal geht es nach unten, dann wieder nach oben, mal macht der Gang eine Biegung, dann geht er wieder ewig weit geradeaus.
Immer wieder mal findet Nora ein magisches Siegel, macht uns den Weg frei, und verschließt es dann wieder. Wir kommen an unzähligen Gabelungen des Gangs vorbei, und mehr als nur einmal muss ich meine Gabe dazu nutzen, um herauszufinden, welches der richtige Weg ist, während Nora mich vor Fremdeinwirkungen schützt und dafür sorgt, dass weder Carlos noch ein anderer Magiebegabter in der Gegend mitbekommt, was ich tue und dass wir da sind.
Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, wie lange es im Endeffekt gedauert hat, bis wir an eine Stelle gekommen sind, wo von links offensichtlich etwas sehr Voluminöses durch die Mauer gebrochen ist, als wäre diese ein Stück Karton. Überall liegen Mauersteine, Stücke davon, mal größere, mal kleinere, und von manchen Steinen scheint nicht mehr als ein bisschen Staub übrig zu sein.
„Die dunklen Flecken auf dem Boden – das ist Blut“, wirft Sven trocken in den Raum und bückt sich, um diese näher zu untersuchen. „Mhm“, meint er leise. „Das ist getrocknet, also ist es mehr als einen Tag alt. Aber was, zum Henker, bringt diese Mauer zum Einstürzen?“
Nora zuckt mit den Achseln.
„Vielleicht ist die große Schlange hier?“, schlägt Lars vor, aber seinen Augen kann man deutlich ansehen, dass diese Idee ihm selbst nicht behagt.
Ich schüttele beruhigend den Kopf.
„Nein, das glaube ich nicht“, sage ich zu ihm, mehr um mich selbst zu beruhigen. „Der Mauerdurchbruch ist rechteckig. Wenn die Schlange hier wäre, dann wäre der viel kleiner. Das hier sind in der Breite bestimmt vier, fünf Meter. Und da der Gang nur drei Meter hoch ist, wäre der Durchbruch, den eine Schlange macht, die ja bekanntlich eine fast runde oder ovale Körperform hat, wesentlich schmaler, selbst wenn die Schlange drei Meter Durchmesser hätte, würden keine fünf Meter aus der Wand rausbrechen. Statik Grundkurs“, grinse ich überlegen und verdränge mehr schlecht als recht den Gedanken, was oder wer hier durch die Mauer gebrochen ist und seinen Weg auf der anderen Seite der Mauer, wo ebenfalls ein hell erleuchteter Gang entlang führt, fortgesetzt hat. Mal abgesehen davon, dass das Durch-die-Mauer-Gehen zu Verletzungen geführt hat ... oder wie erklärt sich bitte dieser Blutfleck auf dem Boden?
„Lass uns nachsehen“, schlage ich vor, und Sven setzt einen Fuß über die Mauer.
Das unterdrückte „Nein“ von Nora kommt leider ein bisschen spät, und diese zieht den Kopf ein.
„Was ist los?“, frage ich und kann die Antwort bereits erahnen.
„Da war eine Sicherung, die ich zu spät gesehen habe.“
„Das bedeutet, die wissen jetzt, dass wir da sind?“, fragt Lars.
„Das bedeutet, dass derjenige, der die Sicherung gesetzt hat – ich nehme an, dass es Alfaya gewesen ist – nun weiß, dass hier irgendjemand ist.
„Hier ist jemand“, flüstert Sven plötzlich mit Grabesstimme. Egal, wenn man sowieso schon von unserer Anwesenheit weiß, kann ich auch nachsehen, denke ich, und steige ebenfalls über den Mauerrest.
Das Skelett, das uns aus leeren Augenhöhlen anschaut, ist allerdings der einzige ‚Jemand‘ hier. Die Knochen sind relativ frisch, aber sauber abgenagt, stelle ich fest, als ich mir das Skelett näher ansehe. Um genau zu sein, sind die Käfer noch damit beschäftigt, den letzten Rest Menschlichkeit aus dem Brustkorb zu entfernen. Mehr Knochen sind auch nicht wirklich noch da, denn der Beckenknochen ist zertrümmert, und der Rest der Leiche liegt ein paar Meter weiter vorne. Scheint, als wäre der oder die Tote in der Mitte auseinandergebissen worden. Auch an den Beinen sind die Käfer noch beschäftigt. An den Füßen stecken Springerstiefel.
‚Zum Glück trägt Brix keine’, schießt es mir blitzschnell durch den Kopf.
„Scheint ein Mann von Carlos zu sein“, mutmaße ich.
„Nora, kannst du aus irgendeiner Richtung Gefahr spüren?“ Nora konzentriert sich erneut und schüttelt dann den Kopf.
„Irgendwo ist was, aber ich kann nicht
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