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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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man Wert darauf gelegt hatte, ihn in Sicherheit zu bringen.
    »Gibt es hier Wachen?«, fragte er die anderen Geiseln. »Wann öffnen sie die Tür?«
    »Wenn sie mit weiteren Leuten kommen, die sie in Sicherheit bringen wollen«, sagte Tarini. »Wir haben hier alles, was wir brauchen«, fügte sie hinzu. »In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel Nahrung gesehen!«
    »Sie werden kommen, um sich diese Rationen zu holen, keine Sorge«, sagte der Jäger. »Aber dann könnte es bereits zu spät sein. Meine Frau … ich muss sie finden, sie und ihr … und unser Kind. Ich bin mir sicher, dass man sie zum Kriegsschiff gebracht hat.« So musste es sein. Man brauchte Indrani an Bord des Schiffs, und man würde Flammenhaar benutzen, damit sie tat, was man von ihr verlangte. Vielleicht würde man sogar damit drohen, Stolperzunge etwas anzutun.
    »Ich weiß einen Weg nach draußen«, sagte das Mädchen.
    Yogita schnaufte verächtlich. »Oh nein, nicht schon wieder, du verrücktes Kind!«
    »Ich bin den Weg schon ein Stück gegangen«, gab Tarini zu. »Nur ein kleines Stück. Aber ich hatte zu große Angst, und man hat mir gesagt, dass ich hierbleiben soll. Mein Freund arbeitet für sie.«
    Stolperzunge kaute auf der Unterlippe. »Würdest du mir helfen, von hier wegzukommen?«
    Sie nickte und zeigte dann in den unmöglichen Abgrund. »Wir müssen da lang.«
    »Nein!«, entfuhr es ihm. »Das kann ich nicht.«
    »Aber du bist doch ein Held«, sagte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich habe es geschafft. Schau zu, wie ich es mache.«
    »Ich glaube, ich kann dir nicht einmal zuschauen.« Dennoch ließ er sich von ihr an die Hand nehmen und ein Stück näher an den Abgrund ziehen. Er spürte, wie sein Atem schneller ging, und blieb eine knappe Körperlänge von der Kante entfernt stehen. Sein Herz pochte schneller als eine Hochzeitstrommel, und ihm wurde bewusst, dass er eher bereit wäre, dieses Mädchen in den Abgrund zu werfen, wenn er dadurch sein Ziel erreichen konnte. Diese Überlegung schockierte ihn. Also bin ich doch wie Wandbrecher , wurde ihm klar. Er erinnerte sich an den Schweiß auf der Oberlippe seines Bruders, an die Alpträume, die er angeblich hatte, und wie er sich in einen Häuptling verwandelt hatte, der andere auf die Jagd schickte, weil er selbst zu viel Angst davor hatte. Wandbrecher.
    »Ist dir übel?«, fragte Tarini. »Du schwitzt.«
    »Ich weiß.«
    »Wir müssen nicht gehen«, sagte sie.
    Stolperzunge sah sie an. Ihr Mut beschämte ihn, und er dachte: Ach, ihr Vorfahren, dieses Mädchen verdient größte Ehre. Fahrt in mich! Gebt mir die Kraft, dieses Mädchen zusammen mit meiner Familie ins Kriegsschiff zu bringen. Es störte ihn nicht, dass dann vielleicht einer der Herrscher des verfluchten Daches den Kürzeren zog.
    »Wir gehen«, sagte er. »Was muss ich tun?«
    »Ihr seid beide verrückt!«, bekräftigte Yogita.
    Tarini ging nicht auf sie ein. »Wir klettern über die Kante«, sagte sie. »Dort gibt es Röhren, Metallstangen und andere Dinge. Daran können wir zur Seite und dann ein Stockwerk höher klettern. Danach wird es jedoch schwierig.«
    Er lächelte. »Schwierig? Lass uns … noch nicht darüber reden. Wir werden … einfach losgehen. Aber du musst mich führen, weil ich … weil ich vielleicht die ganze Zeit die Augen geschlossen halte. Okay?«
    »Okay«, sagte sie.
    Stolperzunge schloss die Augen und ließ sich von ihr zur Kante führen. Er vertraute darauf, dass sie ihm sagte, wann er anhalten sollte. Sein Herz hämmerte rasend, und in seiner Vorstellung sah er einen Abgrund, der genauso furchterregend wie der reale war, den er auszublenden versuchte.
    »Setz dich hier«, sagte Tarini.
    Seine Beine wollten sich nicht bewegen.
    »Ich sagte, setz dich!« Für ein so kleines Mädchen hatte sie einen bemerkenswert kräftigen Schlag. Er schmerzte nicht, aber Stolperzunges Stolz wurde wachgerüttelt, sodass er ihr gehorchte.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich kann mir vorstellen, wie es für dich ist. Aber du bist doch ein Held! Ich weiß, wie so etwas bei euch läuft. Du musst einfach nur an jemanden denken. An die Person, die du auf gar keinen Fall enttäuschen darfst.«
    »Indrani«, sagte er.
    »Ja.« Er hörte am Klang ihrer Stimme, dass sie lächelte.
    Er öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder, als sein Magen die gewaltige Leere bemerkte. Doch dieser kurze Blick hatte ihm jede Menge stabile, zuverlässige Dinge gezeigt, an denen er sich

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