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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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Nacht.«
    »Es ist kalt«, sagte Jagadamba. »Habt ihr keine Kälte an der Oberfläche? Egal. Nimm das hier …« Sie reichte ihm ein schweres Bündel Kleidung. »Jetzt wirst du froh über das Gewand sein …«
    »Was sind das für Dinger?«
    »Stiefel, Wilder, Stiefel.«
    Er schüttelte den Kopf, weil er sich nicht vorstellen konnte, seine Füße in so etwas zu stecken.
    Sie zuckte nur mit den Schultern. »Es wird dir noch leidtun. Ich werde jetzt die Tür schließen. Ich muss es tun. Danach schweigt das Dach. Hast du verstanden, Wilder? Und vergiss nicht meine wohlschmeckende Hand, falls ihr ganz schnell verschwinden müsst! Jetzt rein mit euch.«
    Hiresh folgte ihnen nicht sofort. Stolperzunge bemerkte den besorgten Ausdruck im Gesicht des Jungen. Als wäre er hin und her gerissen zwischen seiner Freundschaft zu Stolperzunge und der Vorstellung, dieses schreckliche Totenreich aus Schleim und und … Kälte zu betreten. Als sich die Tür vor seiner Nase schloss, war es, als würde er sich plötzlich an etwas Wichtiges erinnern. Er schlüpfte hindurch und passte mit seinem mageren Körper gerade noch durch den Türspalt.
    Jagadamba schnaufte und machte irgendeine bissige Bemerkung. Stolperzunge hatte ihre Beleidigungen die ganze Zeit ausgeblendet, sodass er einen Moment brauchte, um zu erkennen, dass er kein einziges Wort verstanden hatte. Die drei sahen sich gegenseitig an. Hireshs Augen zuckten ängstlich hin und her. Jagadamba hörte auf, gegen ihre Gefährten zu sticheln. Ein krampfhaftes Zittern lief durch ihren gesamten Körper.
    Stolperzunge zitterte ebenfalls; er schien es nicht beherrschen zu können. Aber noch viel beunruhigender war, wie sie alle mit jedem Atemzug einen Geisterhauch von sich gaben. Er versuchte die weiße Wolke wieder einzufangen, um sie in seinen Körper zurückzuholen, aber es gelang ihm nicht. Auch Hiresh schien es zu überraschen, obwohl er keine Anstalten machte, etwas dagegen zu unternehmen.
    Alle drei standen zitternd zusammen und fühlten sich gemeinsam elend. Stolperzunges Begleiter wirkten wie Leute, die aus ihrem Stamm verstoßen wurden, deren Kerbhölzer öffentlich zerbrochen werden sollten.
    Dann wurde dem Jäger etwas klar. Er starb nicht. Er würde seine Seele nicht verlieren. Es war eher das genaue Gegenteil. Die Menschenschwärme mit ihren Farben und üblen Gerüchen waren verschwunden. Er war frei. Er war frei vom Dach.
    Jagadamba sagte wieder etwas und signalisierte ihnen, dass sie ihr folgen sollten. Dann stieg sie die Stufen hinauf. Aber weil sie ein wenig zu hoch für ihre kurzen Beine waren, nahm sie sie einzeln, wobei sie sich vom Schleimrinnsal an der Wand fernhielt. Kurz darauf folgte Stolperzunge ihr. Hiresh setzte sich als Letzter in Bewegung.
    Die kleine Gruppe stapfte schweigend voran. Jagadamba nahm eine Stufe, machte eine Pause, nahm die nächste Stufe, machte die nächste Pause. Stolperzunge konzentrierte sich auf ihre Atemgeräusche. Er machte sich Sorgen um sie, wollte sich aber gleichzeitig vom seltsamen Gefühl der Kälte bei Tag ablenken. Nach und nach bemerkte er auch andere Geräusche – das Tröpfeln einer Flüssigkeit, das durch den Treppenschacht hallte, ein unregelmäßiges Klappern, als würden Knochen die Stufen hinunterpoltern, ein Summen, das alles andere übertönte.
    Das Summen war nicht völlig gleichmäßig, sondern pulsierte in einem an- und abschwellenden Rhythmus. Es erinnerte den Jäger an den Herzschlag eines riesigen Wesens, das an der Schwelle zum Tod stand.
    Die Berührung des kalten Metalls an seinen Fußsohlen war ihm schon jetzt zuwider, aber er misstraute den Stiefeln , die Jagadamba ihm gegeben hatte.
    »Ich k-komme mir vor, als w-würde ich b-beobachtet«, sagte er zu seinen Gefährten. »Ihr auch?«
    Sie hielten inne und sahen ihn an. Er hatte vergessen, dass sie ihn nicht mehr verstehen konnte. Seltsam, das Echo seines eigenen Stotterns zu hören. Also weiter hinauf durch das kränkliche grüne Licht der Treppe. Vierzehn Stufen, dann ein Absatz, gefolgt von weiteren vierzehn Stufen. Alle vier Treppenabsätze kamen sie an einer verschlossenen, schleimverschmierten Tür vorbei. Schriftzeichen standen darauf, aber der Jäger hatte die Fähigkeit verloren, sie zu entziffern. Er fragte sich, ob früher einmal jemand dahinter gewohnt hatte, aber heute lebte dort offensichtlich niemand mehr.
    Nach nur zehn Stockwerken setzte sich Jagadamba auf einen Absatz und gab den anderen beiden zu verstehen, es ihr gleichzutun.

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