Bone 02 - Das Ende des Himmels
»Wir dürfen ihre Kleidung nicht benutzen. Verstehst du?«
Sie verstand ihn nicht und sträubte sich dagegen, Stoffreste von den verbrannten Männern und Frauen zu holen, die überall herumlagen. Er drängte sie, die Maske aufzusetzen, um ihr die grünen Punkte zu zeigen. Aber seltsamerweise schien sie nicht mehr zu funktionieren. Als hätte die Sonne sie unbrauchbar gemacht. Er warf das Ding fort. So viel zu den magischen Kräften der Dachbewohner!
Schließlich musste sie ihren Ekel vor den verwesten Leichen überwinden. Wegen seines Knöchels konnte er ihr nicht helfen, aber er versuchte sie aufzumuntern, indem er sie jedes Mal ärgerte, wenn sie würgte. »Lass mir was übrig!«, rief er und meinte es nur halb im Scherz. Sein Magen schrie vor Hunger.
Um sich abzulenken, nahm er den Sprecher vom Gürtel. Der war mit Schleim verschmiert, und er musste ihn mit einem Stück alter Uniform sauber wischen. Als Indrani endlich zurückkehrte, war ihr Gesicht schweißüberströmt. Sie warf einen Armvoll stinkender Kleidung vor ihm auf den Boden.
»Zu heiß, um jetzt zu tragen«, sagte sie, und Stolperzunge konnte ihr nur zustimmen.
Seine Hände juckten. Der Sprecher war wieder voller Schleim. Er wischte ihn noch einmal ab und beobachtete dann erstaunt, wie sich kleine Tropfen auf seiner Oberfläche bildeten, als würde auch das kleine Gerät schwitzen. Fluchend warf er es weg. Dann fiel ihm etwas anderes ein: die kaputte Maske. Er kroch zu der Stelle hinüber, wo sie auf dem Boden gelandet war. Obwohl sich dort kein Schleim befand, war auch sie von einer dünnen Schicht aus dem Zeug überzogen. Er zeigte es Indrani, die verwundert den Kopf schüttelte. Dies war also das fremde Virus, das ihre Welt aufzufressen schien.
Es gab weitere Verzögerungen. Wenn der Sprecher nicht mehr funktionierte, brauchten sie Fackeln für die sonnenlosen Korridore außerhalb des Parks. Also musste Indrani noch einmal losziehen, um Feuerholz zu sammeln.
Sobald sie Stolperzunge den Rücken zugekehrt hatte, kroch er zu einem toten Wärter und betete, dass das Fleisch in der Sonnenhitze noch nicht verdorben war. Er zog das Messer aus dem Gürtel der Frau. Sein Magen verkrampfte sich so heftig vor Hunger, dass er trotz seines Erlebnisses mit Krishnan die Leber herausschnitt und sie roh verschlang. Dann spülte er alles mit einer vollen Wasserflasche hinunter, die am Gürtel der Freiwilligen hing. Was war los mit ihm? Er fühlte sich seltsam. Und er hatte immer noch Hunger! Er aß, so viel er konnte, bevor Indrani zurückkehrte, und verstaute einen Vorrat an Fleisch in einem Beutel.
Schließlich konnten sie der Sonne den Rücken kehren und sich auf den Weg zu den dunklen Korridoren machen, in gestohlene Kleidung gehüllt. Noch besser war, dass sie jetzt den Strick hatten, mit dem die Wärter Indrani gefesselt hatten. Er war noch viel stabiler und leichter als das Seil, das Stolperzunge aus Seidenstoff geknüpft hatte.
Während sie unterwegs waren, vertrieben sie sich die Zeit mit einem Spiel aus der Zeit, als er das letzte Mal schwer verletzt gewesen war, kurz nach ihrer ersten Begegnung. Er hatte sich die Beine zerquetscht, und wenn Indrani ihn nicht gepflegt und dafür gesorgt hätte, dass die Knochen richtig zusammenwuchsen, wäre er schon vor langer Zeit gestorben.
Im Krankenbett hatte er ihr Menschlich beigebracht und sie gedrängt, die Worte so oft wie möglich zu wiederholen. Er war noch nie zuvor jemandem begegnet, der nicht sprechen konnte, und ihre Aussprache war so schlecht gewesen, dass sein Stottern fast völlig verschwand, wenn er mit ihr zusammen war. Es war Magie, reine Magie. Sie hatte ihn in vielerlei Hinsicht geheilt, und sie hatten so viel gelacht, dass sie einen Skandal in Menschen-Wege ausgelöst hatten, weil sie eigentlich die Frau seines Bruders war.
Als das Baby jetzt schlief, war es, als hätte sich der Schatten seines Bruders wieder aus ihrem Leben zurückgezogen. Stolperzunge testete Indranis Vokabular: Hand, Knöchel … Baby, riechen … Windel, stinken .
Diesmal jedoch lief das Wortspiel anders ab. Auch Indrani testete ihn. Weil sie sich nun in ihrer Welt befanden und sie überall auf Dinge stießen, für die es auf Menschlich keine Begriffe gab. Im flackernden Licht ihrer Fackeln sahen sie Bilder von Männern und Frauen, die auf Sofas ruhten und in Bücher starrten. »Ist gut«, murmelte Indrani fasziniert. »Ist gut gut.«
»Sehr gut«, korrigierte er sie.
Andere Wandfresken zeigten große Bestien, die
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