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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Verbindungen stünden in Opposition zur Universität.»
    Wie so oft, ahmte er Etienne Vaessen nach. Seinem Freund gegenüber, der eine wichtige Rolle im Utrechter Verbindungsleben gespielt hatte, verteidigte er den Campus mit Zähnen und Klauen, doch wenn er mit Typen wie denen da an der Theke stand, dann verwandelte er sich in eine Art Mini-Etienne und machte einen auf Utrechter Veteran. Manchmal konnte er sich nicht bremsen und behauptete schlechterdings, er sei Mitglied einer Verbindung gewesen, und wenn man sich dann nach Details erkundigte, dann bluffte er, wobei er das, was Etienne erzählt hatte, genüsslich ausschlachtete. «Eine echte Verbindung verarscht die Leitung der Universität», sagte er.
    «Wie meinst du das?», fragte Björn. Im Gegensatz zu Murk, der nicht so recht wusste, wohin er mit seinem langen Körper sollte, und wie eine Brühwurst über dem Lenker hing, stand Björn stramm, breitbeinig wie beim Appell, die Stange seines mit Aufklebern übersäten Fahrrads im niedrigen Schritt. Er trug blank geputzte Schuhe wie aus dem Handbuch für Verbindungsmitglieder, Brogues, die seine breiten Füße eng umschlossen. Seine sonderbaren, hellen Schlangenaugen schauten feindselig.
    «Echte Verbindungsstudenten kümmern sich einen Scheißdreck um die Univerwaltung», sagte Aaron verbissen. «Die machen lieber ihr eigenes Ding.»
    Bevor Björn antwortete, schob er seine betont kräftigen Lippen mal hierhin, mal dorthin über sein ansehnliches Gebiss. «Hast du das gehört, van der Doelen?», sagte er. «Bever weiß genau Bescheid. Er sagt uns, wie wir es machen müssen. Jetzt, wo Sigerius ihn wie einen Hundehaufen ausgeschissen hat, sagt er uns, wie wir es machen müssen.» Missmutig schüttelte er seinen Frettchenkopf. «Der Fotograf der Schülerzeitung ist der Ansicht, wir sollten einfach unser Ding machen.» Er sah Aaron direkt ins Gesicht, höhnisch. «Jahrelang kriecht er Sigerius in den Arsch, und jetzt findet er uns zu brav. Hast du das gehört?»
    «Ich hab’s gehört», sagte Murk ernst. «Permanent hat er uns in der Kneipe in den Ohren gelegen, Siem hier, Siem da.»
    Seine Übelkeit kehrte wieder. Er war fünf Jahre älter als die beiden, aber dennoch drehte sich der Himmel, als säße er in einer Kirmesattraktion, das rauschende Blätterdach verwandelte sich in einen grünen Morast, der ihm zuflüsterte. Sag’s ihnen einfach .
    «Sigerius geht weg», sagte er. Seine Stimme klang heiser, er räusperte sich. «Mit eurem Campus hat er abgeschlossen. Er wird der neue Wissenschaftsminister. Das weiß ich schon seit Monaten.»
    «Hör auf zu sülzen, Bever», sagte Björn. «Wo warst du eigentlich bei Sigerius’ Grillfest? Lädt dich dein Busenfreund schon nicht mehr ein?»
    «Er wird Minister. Aber das ist übrigens noch geheim.»
    Björn zog die Nase hoch und rotzte in die Böschung. «Jetzt, wo sein Mäuschen in Amerika mit Jim fickt –», sagte er zu Murk.
    «Mit Jeff», sagte der.
    «Jetzt, wo sein Mäuschen in Amerika mit Jim und mit Jeff fickt», ergänzte Björn, «und der Papa den Arschkriecher abgeschrieben hat, geht der Arschkriecher hin und plaudert Geheimnisse aus.»
    Aaron wollte etwas erwidern, doch sein Magen kam ihm zuvor. Wie eine Faust ballte der sich zusammen, und die letzten Reste Gallenflüssigkeit stiegen in seine Speiseröhre auf. Gelbe Säure schwappte aus seinem Mund, sie tropfte auf die Lenkstange. Mit einem heftigen Ruck riss Björn sein Fahrrad zurück.
    «Du hast ja gesoffen, Bever», sagte Murk. «Sag das doch gleich.» Er lachte gequält. «Fahr nach Haus und hau dich hin, Mann.»
    Björn war aufgestiegen und verpasste Aarons Gepäckträger einen kräftigen Tritt.

13
    Grelles Junilicht schnitt den Linoleumboden des ehemaligen Klassenraums in Streifen. Beide schauten wir auf das Kruzifix aus glänzendem, gemasertem Holz, das an der weiß verputzten Wand hing, so gewaltig und dreidimensional, dass der Blick immer wieder davon angezogen wurde. Jesus als handgeschnitzter Athlet im romantischen Stil der Tiroler Schafhirten, die ich von Skiurlauben im Val Gardena kannte. Jeder Tropfen Harz, der austräte: ein Blutstropfen des Gekreuzigten.
    «Hast du ihn aufgehängt?», fragte ich, um die Stille zu durchbrechen. Wilbert schien Schweigen besser ertragen zu können als ich. Wir saßen einander gegenüber, ich auf einem unbequemen harten Holzstuhl, er zurückgelehnt auf einem formlosen Sessel, der aus hellbraunen Lederflicken zusammengenäht war und aussah, als käme er aus

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