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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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seines Lebens ändern. Während er wie ein Büßer auf dem von Büschen und Bäumen flankierten Radweg zum Campus geht, denkt er an das andere Mal, als er in flagranti erwischt wurde. Vielleicht macht er es deswegen: sich Tinekes Geburtstagsfeier vor vielen Jahren in Utrecht ins Gedächtnis rufen, um sein Kurzzeitgedächtnis zu überlisten, Tineke Beers-Profijt hieß sie damals noch – allein schon die Vorstellung , dass es eine Zeit gab, in der seine Ehefrau seine verheiratete Nachbarin war. Sie hatte ihn und Margriet eingeladen, zusammen mit etwa fünfzehn anderen Nachbarn und Freunden saßen sie unten in der Wohnung von Tineke und ihrem schattenhaften Mann, eine kleine Anwohnerparty mitten in der Woche, auch Kollegen aus ihrer Möbelschreinerei am Sweder van Zuylenweg waren da, es gab Wein, Bier, Campari, und auffälligerweise legte Tinekes Schwester aus Amersfoort immer wieder eine LP von Mojo Mama auf den Plattenspieler, der Band, in der Theun mitspielte, den er nie mehr sah, eine merkwürdige Musikauswahl, der Nachbar von unten glänzte durch Abwesenheit, als wäre er nicht zum Geburtstag seiner Frau eingeladen worden oder, und das war wahrscheinlicher, einfach nicht gekommen. So stand es Mitte der siebziger Jahre um Tinekes Rock-’n’-Roll-Ehe.
    Um seine stand es, falls das möglich war, noch schlechter. Er erinnert sich, dass Margriet und er vor der Party einen Streit unterbrachen, sie saßen in der Küche und zankten sich, ihr Fußboden war die Zimmerdecke, unter der Tineke ihre ersten Gäste zu Bier und Leberwurst empfing (wie alt wurde sie? Fünfundzwanzig?), und noch heute spürt er die Wut, die ihre Körper ausfüllte, als sie die Treppe von Nr.   59   a hinabgingen und an der Tür von Nr.   59 klingelten. Erinnerungen an die eigentliche Zusammenkunft hat er kaum, damals jagte in der Antonius Matthaeuslaan ein Fest das andere, und weil alle am nächsten Morgen früh rausmussten, waren die meisten Paare vor zwölf bereits wieder gegangen, von einigen Langbleibern abgesehen, zu denen auch er und Margriet gehörten. Und als auch die Langbleiber aufbrachen, fing Margriet an, an seinem Ärmel zu zupfen (der Alkohol war alle), doch ganz gegen seine Gewohnheit legte er Wert, nein, bestand er darauf, erst noch sein Glas zu leeren, und ganz gegen ihre Gewohnheit ging Margriet vor ihm allein nach oben, «ich leg mich schon mal hin, meine Liebe», sagte sie zu Tineke.
    Woraufhin es schiefging – beziehungsweise alles gut wurde natürlich. In dem Augenblick, als alle die Fliege gemacht hatten und nur er und Tineke noch da waren und er kurz neben seiner unbefangenen, immer zum Lachen aufgelegten, intelligenten, aufgeschlossenen Nachbarin sitzen blieb, Seite an Seite auf Theuns orangefarbenem Dreisitzer, zwischen leeren Gläsern und vollen Aschenbechern, sein Bein an ihrem, sein kräftiger, warmer Oberschenkel an dem noch schlanken von ihr – genau in dem Augenblick ging schief, was sich bereits seit ein oder zwei Jahren angebahnt hatte. Ehe sie es selbst so recht wussten, küssten sie sich, Siem aus der Wohnung oben und Tineke aus der Wohnung unten, hingebungsvoll, schweigend, ohne ein kurzes Lachen oder einleitendes Gemurmel, eine Grenzüberschreitung, die bereits seit seinem Gipsbett-Krankenlager in der Luft lag, dem Tag, als Tineke ihn zum ersten Mal tagsüber besucht hatte, um ihm Gesellschaft zu leisten, während er sich von seinem Motorrollerunfall erholte. Warum war sie eigentlich gekommen? Einfach so, um mal mit einem anderen Kaffee zu trinken, einem Mann , mit dem sie nicht über die Kinder der Freundinnen von Freundinnen reden musste, so was in der Art vielleicht? Bereits damals zeichnete sich dieser Sprung ins Ungewisse ab.
    Und als sie dann sowieso schon ohne Pass in diesem herrlichen, überwältigend exotischen fremden Land waren, beschlossen sie, ohne groß darüber nachzudenken, noch länger zu bleiben. Sie standen auf, er und seine in sich ruhende, freundliche Nachbarin, immer hemmungsloser Küsse tauschend, es geht nicht , flüsterte er – was geht nicht? – das hier , aber es war ein halbherziger Einwand, eher leidenschaftlich als schuldbewusst, und sie stolperten Richtung Schlafzimmer, durch die Diele, und drückten eine Tür weiter (und noch eine Tür weiter, wer schlief denn da? Die kleine Joni?) die Klinke herunter, sie torkelten ins Schlafzimmer, fielen aufs Doppelbett, das dort schon seit Jahren wartete und, wie er sich erinnerte, unter einem schmuddeligen Plakat des Holland

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