Bonita Avenue (German Edition)
kommst nie mehr rein, du Schuft. Nie mehr, hörst du? Wage es nicht, noch einmal nach Hause zu kommen.»
Er bleibt stumm, seine vorlaute Zunge liegt im Mund aufgebahrt. Sie hören Margriet nicht weggehen, umso lauter knallt die Wohnungstür zu, eine Granate. Die von 59 a, ihre eigene Tür, die von ihr und ihrem Sohn, ehemals die Wohnungstür von Siem Sigerius, verschließt sie von innen mit dem Sicherheitsschloss.
Endlich das Bauernhaus, er geht hintenrum über den Kies, trottet, ohne die Hand vor Augen sehen zu können, über den Rasen im Garten. Seit Janis ein paarmal ihren Schlüssel in Deventer vergessen hat, liegt ein Reserveschlüssel im Vogelhäuschen auf der hinteren Terrasse. Mühelos findet er den Schlüssel und geht damit zum Abfallcontainer neben der Werkstatt. Er stößt sich gnadenlos an dem Baumstumpf, auf dem er das Kaminholz hackt, verbeißt sich den Schmerz und zieht die durchgelaufenen Socken aus. Der linke ist triefnass vom Blut. Er wickelt sie in das Geschirrtuch, das er auf dem Kopf trug, und stopft das Bündel so tief wie möglich unter die Kartons und Holzreste in der Plastiktonne.
Seltsamerweise sehnt er sich weniger nach dem Schutz seines Hauses als nach Tineke, er sehnt sich danach, sich an ihren schlafenden Körper zu schmiegen. Doch so weit ist er noch lange nicht. In der Küche schiebt er das um seine Schulter gebundene Geschirrtuch vorsichtig beiseite, ungeduldiges Blut füllt augenblicklich den lachsrosafarbenen Schnitt. Er verbindet sich selbst mit Mull und Leukoplast. Überall auf seinem Körper klebt geronnenes Blut, seine Füße sind braun wie Bockshufe. Er schaltet die Leselampe am Wohnzimmerfenster aus und geht in Joggingschuhen zum Schlafzimmer. Leise tritt er ein. «Hallo, Liebling», flüstert er, um zu testen, ob sie schläft, und schon nach nur zwei Schritten steht er im Badezimmer. Die Schulter so weit wie möglich schonend, duscht er sich, es dauert zwanzig Minuten, bis er sauber ist, sein Fuß brennt und pocht.
Morgen wird er im Hinblick auf Tinekes Tochter lügen müssen, es wird nicht einfach sein, ein heftiges Bedauern entfacht eine tiefe Zuneigung zu seiner Frau. Er dreht die Hähne zu. Es ist ihre Tochter, um die es geht.
Der Sommer schwindet dahin. In den Monaten nach seiner Höllenfahrt ereignet sich wenig. So wenig, dass es ihn nervös macht, die Ereignislosigkeit erweist sich als unvermutete Last. Tineke hat von seiner Entehrung nichts bemerkt, und darüber ist er erleichtert, doch ihre Unwissenheit vergrößert seine Einsamkeit. Die Wunde unter dem Fuß hat er ihr verschwiegen, der Schnitt in der Schulter, so hat er es ihr weisgemacht, sei die Folge eines unglücklichen Sturzes auf den mit Scherben übersäten Boden eines Verbindungshauses, eigentlich hätte er damit in die Notfallambulanz gemusst. Von Joni hört er nichts. Aaron kommt nicht mehr zum Training, gut, korrekt, ihrer beider Dan-Prüfung hat er mit einem Brief an den Judoverband abgesagt.
Joni stellt es geschickt an, indem sie genau während des kurzen Urlaubs, den er mit Tineke auf Kreta verbringt, das Flugzeug nach Kalifornien nimmt. Tineke ist fassungslos, er verteidigt Jonis plötzliche Abreise, McKinsey warte nun mal nicht auf Mama und Papa, sagt er und knabbert dabei an seinen Nägeln: An jedem Tag des Urlaubs ist er fast so weit, mit offenen Karten zu spielen, seiner Frau aufrichtig zu erzählen, woher er die seltsamen Schnittwunden tatsächlich hat, ja überhaupt aufrichtig zu sein, aber er hält den Mund. In Wahrheit ist er nicht ein einziges Mal wirklich versucht zu reden. Sie essen Souvlaki, als Joni auf Tinekes Handy anruft, er lässt, gequält lächelnd, sein Essen kalt werden, und selbst als sich herausstellt, dass Mutter und Tochter ein neutrales, alltägliches Gespräch führen, kriegt er keinen Bissen mehr hinunter.
Zurück in Enschede, erwartet ihn ein relativer Glücksfall, eine Bestätigung dafür, dass er klug gehandelt hat: einfach den Mund halten, abwarten, schauen, was geschieht. Und was ist geschehen? Auf der Website der beiden tut sich nichts mehr, ein paar Wochen lang werden keine neuen Fotos mehr draufgestellt, und dann verschwindet die Website sogar ganz. Offensichtlich haben sie das Handtuch geworfen. Er entspannt sich ein wenig. Oder erklärt es sich etwa dadurch, dass Joni in Amerika ist?
Währenddessen herrscht absolute Funkstille. Keine Nachricht aus Kalifornien. Natürlich wundert vor allem Tineke sich darüber. Dass Aaron sich nicht mehr im Bauernhaus
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