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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Montagmorgen erfährt er von Kok persönlich, dass der Ministerrat ihn gerne haben möchte, «die Ampeln stehen auf Grün»; einen Tag später beginnen die Acht-Uhr-Nachrichten mit der Meldung von Kruideniers dramatischem Rücktritt. Den Rest des Abends wird in den Nachrichtensendungen wild darüber spekuliert, wer Kruideniers Nachfolger werden wird, und ständig fällt sein Name. Die Mitglieder des Kollegiums sowie die wichtigsten Leute aus der Verwaltung hat er zu diesem Zeitpunkt bereits telefonisch informiert. Gemeinsam mit seinem Sprecher geht er durch, was für ihn am folgenden Nachmittag, nach der Bekanntgabe in Den Haag, auf dem Programm steht. In einer außerordentlichen Sitzung des Verwaltungs- und des Aufsichtsrates wird die Übergabe besprochen, es gibt Champagner, er macht eine Abschiedsrunde durch den Verwaltungstrakt, nimmt schon mal die Bilder von den Wänden seines Büros.
    Mittags um zwei bricht dann der Sturm los; Vertreter von Presse und Fernsehen strömen auf den Campus, er gibt ein paarmal dasselbe kurze Statement ab und verlässt durch einen Seiteneingang den Verwaltungstrakt. Am nächsten Morgen holt sein neuer Chauffeur ihn ab, zu seiner Überraschung sitzt der Staatssekretär seines Ministeriums auf dem Rücksitz. In aller Ruhe miteinander redend, fahren sie zum Huis den Bosch, wo er nach seiner Vereidigung zwei Tassen Tee mit der Königin trinkt; die Welt dreht sich wieder, allerdings doppelt so schnell.
     
    Er kennt das Muster schon. Die ersten Wochen sind über die Maßen hektisch, er arbeitet vierzehn, fünfzehn Stunden am Tag, rast zwischen seinem Ministerium in Zoetermeer und dem Binnenhof hin und her, trifft mehr Beamte, Sachverständige und Gewerkschaftsfunktionäre, als einem Menschen guttut. Er übersteht seine erste Parlamentsdebatte, arbeitet sich durch riesige Aktenstapel – doch in seinem Kopf kehrt Ruhe ein. So hat er es immer gemacht, private Probleme unter Arbeit vergraben, die ihm das Äußerste abverlangt. Er genießt seine neue Bühne, die Verantwortung, das nationale Interesse, das wie eine Horde Hooligans aufs Kabinett losstürmt, dem er plötzlich angehört.
    Wenn er abends in seinem Apartment am Hooikade die neue Realität abduscht, scheint die Vluchtestraat weiter weg denn je zu sein, und er kann sich so gut wie gar nicht mehr vorstellen, dass er tatsächlich durch die Scheibe einer Terrassentür gesprungen ist. Vom Haager Hochofen aus betrachtet, wirkt der kleine Balkon, auf dem er blutend lag, wie eine Fata Morgana, ein Traum, ein Hirngespinst. Schon seit ein paar Tagen spielt er mit dem Gedanken, bei McKinsey anzurufen und nach Jonis E-Mail-Adresse zu fragen, nach der richtigen . Vielleicht findet er ja die Kraft, ihr zu schreiben, etwas Vernünftiges, etwas … Väterliches?
     
    Doch dann bekommt er selber eine Nachricht. Die SMS erreicht ihn während der Fragestunde auf seinem Privathandy. Der Bildungsexperte der Christdemokraten hat ihn ins Parlament zitiert, um ihm eine Frage über das Ranking der niederländischen Forschungsinstitute im internationalen Wettbewerb zu stellen. Er ist früh dran, es ist erst das zweite Mal, dass er hier reden muss, vor ihm beantwortet der Verteidigungsminister eine Reihe von Fragen zum Joint Strike Fighter. Das fast leere Parlament wirkt riesig, größer als im Fernsehen, Fragensteller gehen ein und aus, die Antwort des Ministers zieht eine weitere Frage nach sich. Kok kommt rein, geht hinter den Fernsehkameras vorbei. Der Ministerpräsident brummt irgendetwas, das sich nach «wie geht’s?» anhört, setzt sich neben ihn und blättert dann in einer Akte. Zwischen seinem Kollegen und dem Verteidigungsexperten entspinnt sich eine Diskussion über das Flugzeug, und um die Zeit zu töten, holt er sein Handy aus der Hosentasche. Die SMS hat keinen Absender, nur eine Handynummer. Er öffnet die Nachricht.
    Pass auf, du Wichser. Ich weiß, dass du deine Stieftochter im Internet fickst. Soll ich dein Wichsergeheimnis für mich behalten?
    Er schaut zum Ministerpräsidenten hin. Das elektrische Feld, das das Oberhaupt der Niederlande umgibt: Die Kraft davon lässt nach. Wodurch Sigerius ernsthaft aus dem Gleichgewicht gerät. Er muss sich an der furnierten Tischplatte festhalten, um nicht vom Stuhl zu kippen. Leider vergisst er, zuerst das Unheilstelefon aus der Hand zu legen, er lässt es einfach los, sodass es auf der Tischkante aufschlägt und zu Boden fällt. Er grinst schafartig zu Kok hinüber, der ihm einen verärgerten Blick

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