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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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dass man durch eine eingeschränkte Sicherheitsüberprüfung ausschließen möchte, dass er erpressbar ist.
    Erpressbar – das Wort elektrisiert ihn. Als er eines Nachts nicht schlafen kann, fragt er sich, was schwerer wiegt, Wilbert oder Joni, er stellt sich die perverse Frage, was er schlimmer findet, Mord oder Porno? Zum ersten Mal seit seinem Debakel steigt er aus dem Bett und betrachtet die jungen Frauen auf den Internetseiten. Er denkt über sie nach. Über das Rätsel ihrer Entscheidung, über Jonis Entscheidung, über die Entscheidung all dieser Mädchen; er schaut ihnen mit der Absicht in die Augen, Verzweiflung oder einen Schimmer von Selbstzerstörung darin zu entdecken, von Wahnsinn vielleicht, sucht nach Anzeichen von Bedauern, tiefsitzender Flittchenhaftigkeit, faulen Zähnen, Spuren von Missbrauch und Verwahrlosung oder einfach nur grundehrlicher Dummheit – doch das Einzige, was er sieht, ist Schönheit. Fast ausnahmslos sind diese Frauen schön. Vielleicht keine Konzertpianistinnen oder Doktorandinnen, aber es handelt sich um überdurchschnittlich attraktive Frauen, man könnte auch sagen: um, rein äußerlich betrachtet, wohlgeratene Mädchen, Rassepferdchen mit Augen, Haaren, Füßen, Beinen, Händen, mit denen sie es in der zivilisierten Welt weit bringen könnten, mit denen sich kräftige, gesunde Ehepartner finden und Jobs ergattern ließen. Er ist kein Soziologe und auch kein Biologe, aber könnte es nicht sein, dass gerade solche Mädchen aus ordentlichen Familien kommen? Dass sie von hübschen Eltern abstammen, die ausgeglichene, widerstandsfähige Gene haben, ein genetisches Material, aus dem Töchter hervorgehen, die jeder Mann besitzen oder zumindest berühren und, wenn das nicht geht, betrachten will? Hinter jedem Nacktfoto, das sein Geld wert ist, verbirgt sich ein Elternpaar, das eine begehrenswerte Tochter gezeugt hat. Hinter jeder Sexseite verbirgt sich ein Mann wie er.
    Ein Mann wie Theun Beers, wie kann er sich so irren. Am nächsten Tag macht er etwas Verrücktes, etwas, woran er vor dem ganzen Theater nicht einmal gedacht hat. Er geht ins Schallplattenarchiv der Universität, kramt in seiner Erinnerung nach dem Namen der Band von Jonis Erzeuger, und als er ihn sich ins Gedächtnis gerufen hat, sucht er in den Fächern nach LPs oder CDs von Mojo Mama, wider besseres Wissen, doch er findet tatsächlich eine. Stupid City Blues heißt die Platte, ein abgewetztes Exemplar aus dem Jahr 1973, vorne drauf der Utrechter Dom, an den, wahrscheinlich mit Hilfe von Schere und Kleber, eine ebenso große elektrische Gitarre gelehnt ist.
    Mit einer Faszination, die die von Joni hätte sein können, von ihr aber immer abgestritten wurde – mit stellvertretender Faszination also betrachtet er das Foto des Mannes, an dessen Aussehen er sich kaum erinnern kann, in dem er aber sofort ihren Vater erkennt, denn, Gott, wie ähnlich sie Theun sieht. Dieselbe jugendliche Blondheit, derselbe stolze, selbstbewusste Augenaufschlag, das flächige Gesicht, die kerzengerade Körperhaltung. Wie ein Ei dem anderen, so ähnelt sie dem virilen dunkelblonden Kerl, der auf der Rückseite von Stupid City Blues an einem Flüsschen entlanggeht, wahrscheinlich der Vecht, die Gitarre von der Vorderseite des Plattencovers über der Schulter, als wäre sie ein Wikingerschwert, ein Rock-’n’-Roll-Bursche, der seine Töchter nach Joni Mitchell und Janis Joplin benannt hat. Das ist Verwandtschaft. Die DNA trieft nur so herab.
    Bevor er die Platte vorne, wo es Plattenspieler und Kopfhörer gibt, anhört, bevor er feststellt, dass Theun Beers eine etwas dünne, uninteressante Stimme hat, starrt er gebannt auf das Foto. Der Bildunterschrift zufolge gehen wenige Schritte hinter ihm ein Drummer, ein Bassist und ein Pianist: genau wie Beers Männer in den Zwanzigern mit Koteletten und Schlapphüten oder Sandokan-Kopftüchern auf den langen Haaren, auch wenn sie es in puncto Ausstrahlung und Fotogenität nicht mit ihrem Bandleader aufnehmen können. Theun Beers trägt eine Lederhose, und zwischen den Vorderteilen des offenen Wildledermantels prangt ein unverschämter Oberkörper, der wie die Hose aus Leder zu sein scheint.
    Am Sonntag spazieren Tineke und er in aufgesetzter Geruhsamkeit durch das Naherholungsgebiet Het Rutbeek, sie sprechen über die nähere Zukunft, wobei es sich als unvermeidlich herausstellt, dass er sich für die Wochentage eine Wohnung in Den Haag wird nehmen müssen. Auf einmal geht alles ganz schnell: Am

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