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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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klebrig – kräftige Stoppeln, er muss sich unbedingt rasieren –, sein schlechtes Bein ist eingeschlafen. Er hat schon wieder Appetit, stellt er fest, ein unbestimmter Essensgeruch hängt in der Luft, etwas Fettiges, das ihm vorhin nicht aufgefallen ist. Es ist halb zehn, er schiebt den Laptop vom Schoß und beschließt, erst einmal zu duschen. Während er aus dem Wohnzimmer geht, sucht er nach Formulierungen für den Versöhnungsabschnitt, Sätzen, die erklären, warum genau er sich ihr nackt präsentiert hat, oder wie drückt man das aus. Vielleicht muss er so ehrlich wie möglich sein, einfach schreiben, wie es gewesen ist.
    In der Diele fällt ihm ein, was Tineke vor zwei Wochen gesagt hat, eine Bemerkung, die ihm einen ziemlichen Schreck eingejagt hat. «Ich bin so froh», sagte sie, «dass wir im Prinzip alles im Erdgeschoss haben. Meine Knie explodieren nämlich beinahe, wenn ich die Treppe raufgehe.» Vielleicht müssen sie ja doch einmal über drastische Maßnahmen reden, über eine Magenverkleinerung oder dergleichen, auch wenn er nicht weiß, wie er ihr diesen Vorschlag unterbreiten soll.
    Bequem ist es jedenfalls, denkt er, während er sich in ihrem Schlafzimmer entkleidet, eine der angenehmen Entdeckungen, als sie das Haus bezogen: Man steigt aus dem Bett und geht geradewegs ins Badezimmer, und wenn man dort fertig ist, gelangt man durch eine weitere Tür ins Ankleidezimmer, das wiederum eine Verbindungstür zum Schlafzimmer hat. Er zittert, hier ist es kalt. Die Vorhänge sind noch geschlossen, auf seiner Seite des Bettes ist geschlafen worden. Der Gedanke, dass seine Frau dort schläft, wenn er nicht da ist, rührt ihn nicht sehr, eher ist es ein zärtliches Gefühl: eine Vorstufe des Mitleids. Mit einem Seufzer der Erleichterung öffnet er seinen Hosenknopf, der McDonald’s-Mist hat seinen Bauch aufgebläht, im Spiegel neben der Badezimmertür betrachtet er seinen Oberkörper, reibt routiniert über die Tätowierung auf seiner Brust.
    Könnte er das Ganze nicht minutiös schildern? Auf ein paar DIN-A4-Seiten, als wenn es eine Erzählung wäre? Von jenem Abend in seinem Hotelzimmer in Shanghai, als er sie zu erkennen glaubte, bis hin zu seiner Suchaktion in Aarons Haus, oder sollte er vielleicht noch weiter ausholen … Im Badezimmer füllt er eines der beiden Waschbecken mit lauwarmem Wasser und nimmt den Deckel von der Rasierseife. So einem Bekenntnis haftet etwas Lächerliches an. Seit gestern hat er einen schmerzhaften tiefroten Fleck auf dem linken Nasenflügel, die Haut dort ist straff gespannt. Früher, in Delft, als er noch zur Realschule ging und gerade erst von seinem Bruder die Geschichte von dem Furunkel seiner Mutter gehört hatte, traute er sich nicht mehr, die Pickel in seinem Gesicht zu berühren, geschweige denn, sie zu entfernen. Doch diese Angst ist mit der Zeit verschwunden. Er platziert die Spitzen der Mittelfinger auf dem Nasenflügel, beugt sich zum Spiegel vor und drückt. Worum geht es im Wesentlichen? Die Haut rings um sein Nasenloch spannt sich noch mehr, ihre Färbung verändert sich von Rot zu Weiß, der Schmerz ist ein lokaler, ein vielversprechender Schmerz. Es geht darum, Joni begreiflich zu machen, dass er es nicht auf sie …
    In der rechten oberen Ecke des Spiegels bewegt sich etwas. Weil er wegen seiner auf Nahsicht eingestellten Augen nur unscharf sehen kann, bemerkt er zuerst bloß einen rosafarbenen Fleck. Hinter ihm steht jemand. Der Muskelbogen, der seine kalten Zehen über die Pobacken mit den vornübergebeugten Schultern verbindet, gefriert. Wie einen Felsblock hievt er seinen Blick in die obere Ecke des Spiegels. Atemlos starrt er in ein entstelltes Gesicht.
    « Dreckskerl. Du schuldest mir noch was.»
    Gleich nachdem diese Worte in seinen Gehörgängen explodiert sind, füllt sich die Luft mit einem peitschenden Geräusch. Seine rechte Seite und der Brustkorb werden von etwas getroffen, das so hart ist, dass es glühend heiß zu sein scheint. Der Gegenstand, mit dem Wilbert ausholt, beschert ihm einen schneidenden Schmerz im Unterleib, ein grelles Zucken, das, was er in seinem Nasenflügel spürt, spielend übertrifft. Seine Hände sacken herunter, er greift nach dem Rand des Waschbeckens, das in der Halterung knackt, die Seifendose fällt auf den gefliesten Boden. Er muss sich mit aller Kraft festhalten, um nicht zu stürzen.
    «Hast dich ja schon mal ausgezogen.»
    Er erwidert etwas, hat aber keine Ahnung, was.
    «Wen hast du denn erwartet, du

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