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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Das Auflegen des Hörers klingt wie eine Ohrfeige, ein nervöser Besetzt-Ton hallt durchs Wohnzimmer.
    Unbehagen überkommt ihn, die Stimme seiner Frau hat ihn ernüchtert, die Intimität ihrer Nachricht, vor allem aber ihre Stimme: die Vertrautheit darin, ihr versöhnlicher Ton und zugleich ihr Nichtwissen um seine Misere: All das unterstreicht den Wahnsinn dieses Abends, sein unverbindliches Hineinschwätzen in den Raum, das Krachen von Wilberts Ellenbogen. Tinekes Stimme versus dieses Krachen.
    Mit zwei Schritten ist er beim Flaschenschrank, Glas knirscht unter seinen Schuhsohlen, da ist Baileys auf dem Boden, er hockt sich daneben, mit dem Rücken gegen die eiskalte, grobgefugte Wand, lauschend, abwartend. Er fährt mit dem Finger durch die bräunliche Lache und leckt ihn ab.
    Wie lange sitzt er so da? Eine Stunde? Er weiß es nicht, seine Beine sind eingeschlafen, er hat kein Gefühl mehr in den Fußballen. Er bleibt sitzen, bis der Glaube ihn verlässt. Der Junge ist weg. Sitzt schon längst in einer Ambulanz, den Arm in Gips. Im Haus ist niemand außer ihm selbst.
    Er steht auf und geht in den Wintergarten. Indem er danach tastet, findet er den Schalter der Tischlampe, eine Lichtexplosion: nichts. Er setzt sich an den Tisch, keucht vor Anspannung. Auf dem Glasdach liegt etwas, das dunkler wirkt als die Nacht: Schnee, natürlich. Er sieht sein Spiegelbild in der zimmerbreiten Fensterscheibe. Sofort steht er auf und verdunkelt das Schaufenster, in dem er steht. Schneekristalle heften sich an das Glas um ihn herum. Wie gefährlich ist ein Mann mit einem Arm, mit einer Hand? Ungefährlich, selbst wenn diese Hand einen Hammer oder eine Säge hält. Steif geht er mit derselben Entschlossenheit in die Küche: niemand. Das Licht über der Anrichte brennt, auf der Arbeitsfläche liegt eine Schachtel Paracetamol, daneben ein Blister, aus dem vier Tabletten herausgedrückt sind. Er betastet die Schürfwunde an seinem Kinn, tupft die blutende Wunde mit einem Stück Küchenkrepp ab. Er nimmt drei Tabletten.
    Das Telefon liegt in der Spüle, seltsamerweise darin , und daneben steht eine Schnapsflasche. Rum. Der Liter Rum, der im Frühjahr im Geschenkkorb anlässlich der Fünfjahres-Feier war, «Lust Rum» fürs Lustrum, extra für die Tubantia abgefüllt, billiges Zeug. Er nimmt die Flasche und stellt fest, dass sie zu drei Vierteln leer ist. Sie war noch nicht angebrochen, das weiß er genau. Im Messerblock neben der Mikrowelle fehlt ein Messer, er sieht es mit einem Blick. Blitzartig fährt er herum und schaut um sich. Immer mit der Ruhe. Das Messer ist bestimmt in der Spülmaschine. Wilbert ist weg. Dennoch zieht er ein kurzes Fleischmesser aus dem Block. Er geht zur Kellertreppe, dreht sich um, kehrt zurück zur Anrichte. Alles tut weh. Er trinkt einen Schluck von dem Rum, das reinste Gift, und geht erneut zum Treppenabsatz. Die Stufen knarren, er war in den letzten Monaten nur ganz selten im Keller; am Staub auf dem Betonfußboden sieht er, dass dort niemand gegangen ist. Trotzdem schaut er hinter alle Regale.
    Schließlich stolpert er in die Waschküche, da ist es unerhört kalt, Kondenswolken quellen aus seinem Mund. Die Tür zur Terrasse steht einen Spaltbreit offen, eine der kleinen Glasscheiben ist eingeschlagen. So sind wir also ins Haus gelangt. Er schließt die Tür, dreht den Schlüssel im Schloss und zieht ihn heraus. Zusätzlich schiebt er noch die Riegel davor.
     
    Und nun? Er ist fix und fertig, doch an Schlaf ist nicht zu denken. Sein Auto könnte mit seinem Adrenalin bis nach Frankreich fahren. Die Vorstellung, die Vorhänge zu schließen, die Heizung herunterzudrehen und ins Bett zu gehen, ist skurril. Er hat genug seichte Thriller gelesen, genug Hollywoodfilme gesehen, um zu wissen, dass er in diesem Haus auf gar keinen Fall sein Bewusstsein verlieren darf. Pyjama anziehen, Zähne putzen und dann warten – auf den Plot. Ein Feuer, angezündet mit Benzin aus Tinekes Werkstatt. Ein nahezu überfrorener Lauf in seinem Nacken, wenn er morgen den Motor seines Wagens anlässt. Ein Beil – mitten in der Nacht wird er aus dem Schlaf aufschrecken, ein Finger auf seiner Stirn, tick, tick, aufwachen, Kumpel, bevor sein Schädel mit dem Beil gespalten wird, mit dem Tineke jeden Herbst das Holz zum Anfeuern hackt.
    Er muss aufräumen. Es dauert einen Moment, bis er den Trick raus hat, doch dann gleiten die Schubladen bereitwillig in die Kommode. Er stapelt die Umschläge aufeinander, fegt das Konfetti auf ein

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