Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
Vom Netzwerk:
die Küche, am liebsten wäre man mit einem Hängegleiter ans Meer geflogen. «Da hinten, links, seht ihr die Golden Gate Bridge», sagte ich, «und rechts, das ist Alcatraz Island», aber sie schwiegen weiter.
    Ich ging vor ihnen her nach unten, wo ich im Gartenzimmer ein Doppelbett bezogen hatte. Timo fuhr mit dem Finger durch den Staub auf Boudewijns Seeburg V200 und wollte wissen, ob wir auch ein Zimmer ohne Jukebox hätten. Ich zeigte ihnen also ihr Badezimmer und riss dann die Türen, die auf den abschüssigen Rasen hinausgingen, auf. Janis betrat mit eckigen Schritten das Gras, schaute sich die Blumenbeete und die knotigen Palmen an und zwängte ihren breiten Hintern in die zum Reinwachsen gekaufte Schaukel, die von Toys-R-Us für Mike angebracht worden war. «Habt ihr einen Gärtner?», fragte sie.
    Als wir kurz darauf nach oben gingen, drang uns leises Weinen entgegen: Mike, den das ungewohnte Gepolter von Timos Springerstiefeln auf der Treppe geweckt hatte. Ein kurzes, aber heftiges Erstaunen zeigte sich auf Janis’ Gesicht. Ein Kind? Im hellblauen Zimmer beugte sie sich wortlos über Mikes Bett und streichelte ihm mit einem Finger über den Bauch.
    «Ich wusste gar nicht, dass Janis Tante ist», sagte Timo, um die Stille zu durchbrechen.
    «Und ich wusste nicht, dass Mike einen Onkel hat», erwiderte ich.
    Nach einem schweigsamen Mittagessen im Japanese Tea House, wo Timo mit einem verkrampften Lächeln die Rechnung beglich, gingen wir paarweise durch den Golden Gate Park, ich neben Janis, Boudewijn, den Kinderwagen vor sich her schiebend, im Gespräch mit dem kreidebleichen «Rätekommunisten», wie er meinen Schwager in der herrlichen Abgeschlossenheit unseres eigenen Wagens genannt hatte. Ich merkte sehr bald, dass Boudewijn, um mir etwas mehr Zeit mit Janis zu verschaffen, zügig drauflosmarschierte. Während die Männer zu Püppchen wurden, Timo mit seinem Zopf eine Indianerin, schlenderten meine Schwester und ich durch die Kulisse aus blühenden Weidenbäumen und uralten Eichen. Es war tropisch warm, Janis schwitzte unter ihren kurzen Hennahaaren. Als wir mit unseren Eltern in Berkeley gewohnt hatten, astronomische zwanzig Jahre zuvor, nahmen sie uns hin und wieder mit zu diesem Park; dann brachen wir morgens früh in der Bonita Avenue auf und fuhren mit dem Pick-up über die Bay Bridge, Janis und ich auf der klebrigen Sitzbank eingeklemmt zwischen meiner Mutter und meinem Vater, der am Steuer saß. Ich fragte sie, ob sie sich noch daran erinnern könne.
    «Ich habe kaum Erinnerungen an Kalifornien.»
    Der Weg hatte ein leichtes Gefälle. Unsere Schritte knirschten gleichzeitig. Ich rechnete aus, wie alt Janis 1982 gewesen war: fünf?
    «Tineke packte den roten Korb mit Essen voll», sagte ich, um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, «den Korb, der in Enschede noch jahrelang auf der Terrasse des Bauernhauses gestanden hat.»
    «Warum nennst du deine Mutter beim Vornamen? Was soll das?»
    Ich holte tief Luft und sagte: «Janis – warum hat Siem sich eurer Meinung nach das Leben genommen?»
    Im Gehen stockte sie einen Moment. Sie nahm die Sonnenbrille aus ihrem strubbeligen Haar und setzte sie sich auf die Nase, die inzwischen die Farbe eines gebratenen Würstchens hatte.
    «Glaubt ihr, du und … Mama, dass ich etwas damit zu tun hatte?»
    Sie blieb stehen und legte eine feuchte Hand auf meine Schulter. «Ich hab was im Schuh», sagte sie und wand schwankend einen geschwollenen Fuß aus einem ihrer Chucks. Aufs grüne Leinen hatte jemand, vielleicht Pocahontas in der Ferne, mit blauem Kuli ein Peace-Zeichen gemalt. Sie schüttelte einen kleinen Kieselstein aus dem Turnschuh und kniete sich hin, um ihn sich wieder anzuziehen. «Joni», sagte sie zu meinem Oberschenkel, «Mama und ich haben seit drei Jahren nichts von dir gehört. Du warst nicht beim Begräbnis. Besonders oft denken wir über dich nicht nach. Und wenn wir dann doch mal über dich nachdenken, dann denken wir eher, dass du mit überhaupt nichts zu tun hast.»
     
    Nachdem wir Mike zu Bett gebracht und die beiden fast spürbar im Wohnzimmer gewartet hatten, machte Bo, als wäre er ein Mann, der bei den zwanzig Jahre jüngeren Verwandten seiner Frau Eindruck schinden will, in der offenen Küche Pasta mit frischen Krabben aus der Bucht. Ich hockte in der Sitzecke Janis und Timo genau gegenüber und lauschte dem nörgeligen Bericht über eine Führung durch die «lächerlich kommerziellen» Studios von Hollywood, an der sie

Weitere Kostenlose Bücher