Bonita Avenue (German Edition)
gehört hatte. Es war fast neun. Ich heizte den Ofen für die Ciabattas vor, legte Bagels und French Toast in Körbchen, Heidelbeer- und Birnenhonigmuffins auf eine ovale Schale. Frisches Obst, Amsterdamer Ochsenwurst, drei Sorten Schinken unter Cellophan, Marmelade in Schüsselchen, Cerealien und Müsli, Milch, Joghurt, Honig. Auf einem Beistelltisch richtete ich eine holländische Insel her mit dem Käse, den Rosinenwecken, den Flocken- und Streuselpackungen. Vor der Stereoanlage ging ich in die Hocke, entschied mich jedoch um: Ich wollte hören, wenn auf Janis’ Etage die Dusche anging. Ich pochierte vier Eier, machte für mich und des Duftes wegen schon mal einen Espresso. Es war alles da für sie.
Kurz vor halb zehn kam Boudewijn mit dem angezogenen Mike herunter. Ich hätte sie fressen können, so selbstzufrieden und übertrieben häuslich sahen die beiden aus: Mike auf seiner Spieldecke, lachend und sabbernd, Bo daneben hockend, rosig vom Rasieren, das graugewellte Haar mit Brillantine nach hinten gekämmt. Er hatte seine Filzpantoffeln von Church an, mit «BS» vorne drauf, Hausschuhe, über die ich mich normalerweise ärgerte. Schon seit einiger Zeit lief es nicht besonders zwischen uns, doch jetzt machte er Punkte gut. «Sind unsere Gäste schon wach?», wollte er mit einem Lächeln wissen.
Ich erinnerte mich an Janis als einen Menschen, der kurze Nächte nicht abkonnte und gerne ausschlief, also tranken wir schon mal Tee und blätterten der Form halber ein wenig im San Francisco Chronicle . Um kurz nach zehn blinzelte Boudewijn mir zu. «Weck sie jetzt ruhig auf», sagte er, «das ist auch denen lieber. Ich verschlafe auch nicht gern bei Freunden.»
Ich ging die Treppe hinunter und klopfte leise an die Tür zum Gartenzimmer. Ich meinte, Gemurmel zu hören, wartete und klopfte dann noch einmal.
«Schlafmützen.»
Weil ich keine Antwort bekam, öffnete ich die Tür einen Spaltbreit. Tageslicht und frische Luft strömten mir entgegen. Ich steckte den Kopf hinein und schaute mich in dem niedrigen, großen Zimmer um. Das Bett war leer, die Decken lagen zerwühlt darauf, eine der Türen zum Garten stand sperrangelweit offen. Ich ging ins Zimmer, hob ein nasses Handtuch vom Kiefernholzboden auf. Auch im Bad war niemand, die Spots über den Waschbecken brannten, ein lauer Wasserstrahl floss aus dem Duschkopf. Während ich den nassen Fußboden nach meiner Schwester und Timo absuchte, als wären sie klein wie Wattestäbchen, wurde mir klar, dass sie das Haus schon Stunden zuvor verlassen hatten.
Der Verkehr während der morgendlichen Rushhour hielt sich auf dem Sunset Boulevard in Grenzen; trotzdem wäre ich dem Chevrolet vor mir ein paarmal um ein Haar hintendrauf gefahren. Die Erinnerung an Janis verwirrte mich – ganz zu schweigen von der an Aaron Bever . Beim Frühstücken hatte ich eine alte Hotmail-Adresse gecheckt, einen Account, über den ich gelegentlich Schuhe und Kleider bei eBay verkaufte, und zu meinem großen Erstaunen fand ich dort eine drei Wochen alte E-Mail von Aaron. Ich kriegte einen Heidenschreck. Von manchen Menschen hört man so lange nichts, dass man unwillkürlich annimmt, es gibt sie gar nicht mehr. Aaron? Jetzt geht das wieder los. Mein erster Gedanke war: Weg mit dem Ding, und folglich hatte ich es ungelesen in den Papierkorb verschoben. Das Bedürfnis, mit ihm wieder in Kontakt zu sein, hatte ich nie verspürt, doch nach dem schwachsinnigen Besuch meiner Schwester hatte ich Enschede und all seinen Gespenstern offiziell abgeschworen. Seit 2000 war ich nicht mehr in den Niederlanden gewesen, ich verfolgte nicht, was dort geschah, unterhielt keine Kontakte zu Niederländern und sprach, seit ich Boudewijn und Mike verlassen hatte, auch kein Niederländisch mehr. Die Verbindungen zum Vaterland waren gekappt. Und ich wollte nicht, dass sich daran etwas änderte.
Auch deshalb war es schön, dass mich an der Coldwater Canyon Avenue große Neuigkeiten erwarteten. Noch ehe ich die Tür zu meinem Büro hinter mir zugemacht hatte, verband der Empfang mich mit einem Assistenten von Víctor Sotomayor. Was ich erhofft hatte, was wir uns alle seit einer Woche erhofften, trat ein: Der Kauf kam zustande, der Deal war perfekt, für 16,3 Millionen Dollar durften wir uns Eigentümer der Los Angeles Barracks nennen. Tja, und dann ging die Party los.
Zuerst stürmte Rusty herein und küsste mich, als ob Silvester wäre, fünf Minuten später standen wir mit rund fünfzig Leuten in der alten
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