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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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das?»
     
    Warum zog er sie ins Vertrauen? Weil sie die Sprache der kultivierten Welt sprach, die Sprache des Campus, von der er abgeschnitten war? Weil er in dieser schrecklichen Anstalt keine andere normale Frau zu Gesicht bekam? (Die Frauen auf seiner Abteilung hatten Unterarme, die genauso zerkratzt waren wie das Brettchen, auf dem sein Großvater Salami schnitt, gaben sich als die Geliebte von Saddam Hussein aus, eine Geliebte allerdings, die im Dienst der CIA stand und den Auftrag hatte, dem Regime die Laserwaffen zu entwenden, reg dich also ab – na ja.) Oder war ihm bewusst, dass Haitink der Schweigepflicht unterlag, dass er eigentlich mit niemandem sprach, dass er einer Art Tennisball-Wurfmaschine gegenübersaß, einer bezahlten Kraft, die ihn völlig ignorieren würde, wenn er ihr später einmal im Albert-Heijn-Supermarkt über den Weg laufen sollte?
    Nein, er vertraute ihr, weil sie über ihn lachen konnte; wenn er etwas Geistreiches sagte, huschte manchmal ein Lächeln über ihr knochiges, faltiges Gesicht, nicht aus Nachsicht oder, schlimmer noch, aus Mitleid, sondern weil ihr klinischer Ernst nicht widerstehen konnte. Wann immer er einen guten Tag erwischt und einen Bruchteil seiner früheren Frivolität wiedergefunden hatte, konnte er sie in ein lautes, munter aufflatterndes Gelächter ausbrechen lassen, das sie, die Einundsechzigjährige, wie sechzehn wirken ließ. Auf ihn selbst, den am Boden zerstörten jungen Mann, dessen Selbstachtung wie ein kaputter Fußball auf dem Klinikrasen lag, hatte diese kicherige Kapitulation eine größere heilende Wirkung als die Gesamtheit ihrer psychotherapeutischen Tricks. Obwohl sich nur seine Nasenflügel bewegten, als sie ihm die Frage stellte – warum bloß glaube er, dass Sigerius ihn hasse –, sprintete er innerlich so schnell, wie er nur konnte, zum Abgrund seines mehr als alten Geheimnisses, stieß sich vom staubigen Sand ab und sprang über die Kluft aus tiefer Verschwiegenheit, die er vier Jahre lang aufrechterhalten hatte.
    «Weil ich der Zuhälter seiner Tochter bin», sagte er. «Darum.»
    In seiner Erinnerung verzog Haitink keine Miene, sie verzog nie eine Miene, sie war darin geübt, keine Miene zu verziehen. Mit Daumen und Zeigefinger schnippte sie einen Fussel von ihrer Wollstrumpfhose. «Erläutern Sie das mal bitte», sagte sie.
    Kurz und verständlich erzählte er ihr, dass Joni und er von Ende 1996 bis zu ihrem Auffliegen im Jahr 2000 eine Amateursexseite betrieben hatten, eine kostenpflichtige Internetplattform, für die er Woche für Woche Fotos gemacht hatte, Fotos, auf denen jeder Quadratzentimeter von Jonis Körper zu sehen war, in möglichst erregenden Inszenierungen, Pornobilder sozusagen. Und manchmal auch ein bisschen von ihm. «Ein bisschen von Ihnen?», fragte Haitink, und sie machte dabei ein scheinbar alarmiertes Gesicht.
    Tja, na ja. Ohne näher auf die fleischlichen Details einzugehen, legte er sein Geständnis ab, mehr als das Allernötigste kam ihm nach vierjähriger Schweigepflicht nicht über die Lippen. Sie hatte Fragen, so wie immer spielte sie das diplomierte Fragezeichen, wollte genau wissen, wovon die Rede war, ihm fiel auf, dass sie vergaß, sich Notizen zu machen. «War das Ganze Ihre Idee?», fragte sie. «Ja. Nein, unsere », erwiderte er, uneingedenk der Tatsache, dass es ihre Idee gewesen war. «Stand diese, äh …» «Joni.» «Stand Joni mit ihrem wirklichen Namen auf der Internetseite?» «Nein, natürlich nicht.» «Wer war sie dann?» «Ein Mädchen aus dem mittleren Westen der USA. So sah die Website auch aus.» «Fotos also?» «Für Filme ist das Internet zu langsam.» «Und wie pikant waren diese Fotos?» «Sie wissen doch bestimmt, was Porno ist?» «Ich denke ja, schon.» «Na, genau so eben. Früher nannte man so etwas Sexfotos.» «Und man musste Mitglied werden, um sich diese … Sexfotos ansehen zu können?» «Um alle zu sehen, ja, klar.» «Gut. Und wie hieß diese Seite?» «Lindaloveslace.» «Und Joni war diese Linda?» «Nein, ich.» «Tja, war nur so eine Frage.» «Ich rede zum ersten Mal über all diese Dinge.» «Das ist sehr tapfer von Ihnen, Aaron. Und? Lief die Sache gut?» «Wie geschmiert. Es war enorm. Wir hatten unglaublichen Erfolg. Wurden davon total überrumpelt.» «Ist Joni denn so schön?» «Ihre Schönheit ist unbeschreiblich.» «Finden Sie.» «Finden Tausende von Männern.»
    Er erzählte Haitink, dass sie eines Tages beim Aufwachen gespürt hätten, dass «es»

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