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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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umfassender geworden sei, umfassender als ihre Beziehung. «Wir gingen als Paar schlafen und wachten als Teilhaber wieder auf. Uns wurde bewusst, dass wir Geschäftsführer waren, Geschäftsführer mit einem Geheimnis. Geschäftsführer eines Geheimnisses.»
    «Und die ganze Zeit über hatten Sie Angst, dass der bedeutende Vater Ihrer Freundin dieses Geheimnis aufdecken könnte.»
    «Ja. Ziemliche Angst, ja.» Er unternahm einen Versuch, ihr zu erklären, welche Tücken es hatte, dieses Geheimnis zu bewahren, etwas, das so einschneidend und erfolgreich und zugleich so unerhört war, in ein Vakuum zu verwandeln – das war nicht nur an sich schon eine Kunst, sondern ein regelrechter Vollzeitjob. «Wir führten ein Doppelleben. Und gleichzeitig freundeten Sigerius und ich uns immer mehr an. Ich auf vertrautem Fuß mit ihrem besorgten, liebenden Vater . Unmöglich. Es war grauenhaft.»
    «Aber wovor haben Sie sich denn so gefürchtet?»
    Er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Verstand sie es wirklich nicht? Die Frage ärgerte ihn ebenso wie ihr rigoroses Demaskieren seiner Bewunderung für Sigerius. Hatte man ihr das vor einhundert Jahren im Studium beigebracht? Er dachte, dass er ihr nicht Prominente der Niederlande hätte empfehlen sollen, sondern ein ganz anderes Buch, ein Handbuch für junge Judoka, das Sigerius für die Jugendlichen in seinem Dōjō geschrieben hatte und irgendwann einmal in der Syllabi-Druckerei der Universität drucken und binden ließ. Seit Ende der achtziger Jahre erteilte er an Donnerstagabenden gratis eine Stunde lang Judounterricht an Kinder aus Twekkelerveld, dem grauen Wohnviertel, in dem man landet, wenn man den Campus durch den Haupteingang verlässt und die Hengelosestraat überquert. Sigerius’ Buch erläuterte in zugänglich gehaltenen Texten mit linkischen Illustrationen, die er selbst gezeichnet hatte, die technischen Grundprinzipien des Judo und auch die Philosophie dahinter, aber woran Aaron jetzt denken musste, waren die drei Seiten mit Verhaltensregeln für den «fairen Judoka». Wahrscheinlich hatte Sigerius die erbauliche Liste zusammengestellt, weil er es als seine Aufgabe ansah, den zumeist Immigrantenkindern, Jungs, die er zu Recht für unterprivilegiert hielt, andere Normen beizubringen als die, die sie im Umfeld der vollgepissten Mietskasernen, in denen sie wohnten, aufschnappten. «Wenn ich meinen Judopartner in einen Haltegriff nehme, tue ich ihm nicht unnötig weh.» «Ich verspreche, den Kampf fair zu führen.» «Wenn ich einen Judopartner besiegt habe, brüste ich mich nicht damit.» «Ich lege mich nicht auf die Matte, sondern sitze mit geradem Rücken da, um meinem Sensei zuzuhören, wenn er etwas erklärt.» «Ich sorge dafür, dass ich einen frischen Atem habe, bevor ich zum Judounterricht gehe.»
    Haitink sah ihn immer noch an. Ihr Gesicht hatte einen leicht spöttischen Ausdruck, ihr Blick war der einer Frau, die es ihrer Jugend in den sechziger Jahren schuldig war, die Aufgeklärte zu spielen. Auch gut. Anstatt auf sie einzureden, damit sie begriff, mit welchem Grad von Verrat sie es hier zu tun hatten, wie viele hinterlistige, abgefeimte Schritte es brauchte, eine geheime, gut laufende Sexseite auf die Beine zu stellen, fragte er sie, ob sie Kinder habe.
    «Einen Sohn», sagte sie.
    «Bedaure», sagte er. «Verheiratet?»
    «Ingmar hat einen Freund.»
    «Wie schön. Umso besser. Ich nehme an, Ingmar und sein Freund sind nette, angenehme Menschen, die beruflich, aber auch im Privatleben erfolgreich sind. Er ist bestimmt ein feiner Kerl.»
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. «Stimmt», sagte sie.
    «Gut. Eines Tages bekommen Sie einen Hinweis: Schau dir mal die und die Seite im Internet an, und das tun Sie, und Sie landen auf einer sorgfältig gestalteten Website, auf der Ihr Sohn allwöchentlich neue Fotos von sich selbst präsentiert. Gestochen scharfe Bilder von Ingmar und seinem steifen Schwanz, ich sag’s einfach mal ungeschönt. Und sobald Sie Geld überweisen, erhalten Sie Zugriff auf Tausende von Fotos, auf denen zu sehen ist, was so alles aus Fleisch und Kunststoff in Ingmars nassgespuckten Anus gestoßen wird – und zwar so lange, bis sein hübsches Gesicht sich zu Grimassen verzieht und sein rasierter Schwanz ejakuliert. Am nächsten Sonntag sehen Sie die beiden wieder, Ihren Sohn und Quasi-Schwiegersohn, diesmal aber in echt. Sie kommen nämlich zum Essen.»
    Einen winzigen Augenblick lang war sie perplex, vielleicht aufgrund des erdachten

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