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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Bürgern verlangen, ist, dass sie verschwinden.»
    «Was verstehst du schon davon?»
    Stol sah ihn lächelnd an.
    «Was gibt’s da zu lachen?»
    «Du bist zum Lachen. Du bist so ein drolliger Bursche.» Mit zwei schnellen, kurzen Ruckbewegungen zog er seine Manschetten etwas weiter unter den Ärmeln seines Jacketts hervor. Er wandte sich an Joni. «Aber angenommen, dein Freund fährt doch. Was dann? Dann irrt Arend dort ohne Übernachtungsmöglichkeit durch ein Krisengebiet. Er steht im Weg. Und angenommen, der Wind dreht sich doch, dann muss er zusehen, wie sein Haus bis auf die Grundmauern niederbrennt, machtlos und wie betäubt. Das muss man ertragen können. Und wie ich ihn einschätze, kann er das nicht so gut ertragen. Er ist ja jetzt schon völlig aufgelöst.» Stol nahm seine Gabel, auf der ein Stückchen Kalbfleisch steckte, und schob sie sich in den kleinen Mund. «Wenn du hinfährst», sagte er kauend und zeigte mit der leeren Gabel auf Aaron, «dann riskierst du, mit anderen Worten, ein Trauma.»
    Joni, ein Ellbogen auf dem Tisch, schaute wieder auf ihren Teller und hielt sich die Hand wie eine Sonnenblende vor die Augen. Aaron holte tief Luft. Na wunderbar. Scheißt mir nur auf den Kopf, danke für den Hut. Er war blamiert. Und nein, sie fuhren nicht zurück. Er hatte verloren. Was starrten die drei ihn so an? Er betrachtete das kalte Essen auf seinem Teller und rieb sich das rechte Auge. «Meine Kontaktlinse», sagte er, «da stimmt was nicht.» Er versuchte, die Haftschale aus dem Auge zu holen, doch seine Hände zitterten zu sehr. Stols Blick brannte auf seiner Kopfhaut.
    «Nur damit das klar ist», rief er beim Aufstehen, «ich möchte, dass jeder weiß, dass ich für die Familie und gegen Drogen bin.» Ohne jemanden anzusehen, ging er mit der Linse auf seiner Handfläche auf die zweiflügelige Tür zu, durch die sie hereingekommen waren. Sein Gesicht glühte. Der Speisesaal schwankte wie der Laderaum einer Galeone, Kanonen zerrten an ihren Ketten, an der Decke tanzten die Kronleuchter einen Walzer. Er spürte die Müdigkeit von wochenlangem schlechtem Schlaf. Während er taumelnd an den vergoldeten Fußleisten und speisenden Rücken entlangschritt, stieß er aus Versehen gegen eine Handtasche. Sie schlitterte über den Boden – «Entschuldigung», murmelte er, und als er sie schwungvoll an ihren Platz stellte, sah er von weitem, dass Stol, Brigitte und Joni sich schon wieder unterhielten. Sie lachten aus vollem Herzen.
    Die Kühle einer Marmorzelle, Rosenduft aus Spraydosen. Er schloss sich in der erstbesten Kabine ein und ließ sich, ohne die Hose herunterzulassen, auf der mattschwarzen Brille nieder. Der Spülkasten leckte leise, er bettete sein wirres Haupt in die Hände, schloss die Augen und lauschte dem sanften Plätschern. Das Wasser lachte ihn aus, er lauschte dem Gekicher über seinem Kopf …
    Als er den Speisesaal wieder betrat, kam der ihm kleiner vor: Die Decke war niedriger und an den Rändern von Kerzenflammen rußgeschwärzt. Während er zu ihrer Seite des Karrees hastete, sah er schon aus der Ferne, dass Stol sein weißes Jackett ausgezogen hatte. Er schaute noch einmal genau hin. Was? Stol hatte auch sein Oberhemd ausgezogen, er saß mit nacktem Bauch am Tisch und lachte zu ihm herüber. In seiner Hand, in seinem gekrümmten Arm vielmehr lag ein leerer, wenn auch nicht mehr sauberer Teller, den er wie eine Frisbeescheibe vor seine behaarte Brust hielt. Ein in Sauce getränktes Stück Kalbfleisch kam ins Rutschen und landete mit einem hörbaren Schmatzen auf dem Tisch. Wie auf Kommando hörte der ganze Saal auf zu essen und zu reden. Alle sahen Aaron an.
    «Nein», schrie er. «Was machst du da?»
    Stol schleuderte, verbissen dreinschauend, den Teller mit Schwung in seine Richtung. Er bückte sich reflexartig und fiel vornüber von der Toilettenschüssel, rums, mit dem Schädeldach gegen die weiße Tür.
    «Auauau», flüsterte er. Der Scheitel seines Kopfes pochte vor Schmerz. Er spürte Blut.

5
    Sigerius steht erstarrt in der Diele. Soeben hat er die Post von der Fußmatte genommen. Er hatte vor, ins Wohnzimmer zu gehen, doch nun schaut er durch die offen stehende Tür gebannt aufs Profil seiner Tochter. Sie sitzt auf der weichen Lehne der großen Couch, sie trägt eine kurze Jeanshose, es ist bullenheiß, eines ihrer nackten Beine liegt angewinkelt auf ihrem Schoß, angespannt pult sie am Lack auf ihren Zehennägeln. Sie ist im Gespräch mit Aaron, doch den kann er nicht

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