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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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sehen. «Komm doch einfach mit», hört er ihn sagen. «Ich glaube, es wird dir guttun.»
    «Warum in Gottes Namen sollte mir das guttun?» Sie schaut kurz von ihrem Fuß auf. «Erklär mir das mal.»
    «Weil du dir dann ein realistisches Bild machen kannst, anstatt immer nur deine Hirngespinste vor Augen zu haben.»
    Die beiden reden über den morgigen Nachmittag. Aaron ist gleich zweimal gefragt worden, ob er in einem Bus der Gemeinde durch die Überbleibsel von Roombeek fahren will, als Bewohner des Katastrophengebiets und als Pressefotograf. Ohne Joni vorher zu fragen, hat er dafür gesorgt, dass sie mitfahren darf.
    «Ah, mein Freund leistet Katastrophenhilfe», sagt sie. «Stell dich neben das abgebrannte, eingestürzte, verwüstete Haus deines halbtoten alten Chefs. Das wird dir guttun.»
    Die Falte auf der energischen Stirn, die vollen Lippen, die sie, aus Verärgerung oder weil sie in ihre Pulerei vertieft ist, aufeinanderpresst. Eigentlich ist es ein Elend, dass er sie die ganze Woche sehen muss.
    Als er aus Shanghai zurückkam und sich bestürzt durch alle Nachrichtensendungen zappte, schlug Tineke vor, die beiden für eine Weile aufzunehmen. Der arme Aaron könne doch nicht in seine Wohnung, und nun müssten sie in Jonis stickigem Mansardenzimmer schlafen. Natürlich seien sie willkommen, hatte er erwidert, jederzeit, aber schliefen sie nicht schon seit Jahren dort unterm Dach? Er glaube, dass Joni das Angebot ablehnen werde, vielleicht sollten sie ihr die Entscheidung nicht aufzwingen. Daraufhin entspann sich ein ungewöhnlicher Wortwechsel. Tineke sagte, sie selbst hätte es gern, sie fände es schön. Schön, wiederholte er, schön? Er finde es schön, dass sie ihre Töchter zu Menschen erzogen hätten, die für sich selbst sorgen könnten. Sei nicht albern, sagte sie, sie wolle Joni einfach nur bei sich zu Hause haben. Weil Vernunft eine von Tinekes Charakterzügen ist, die er bewundert, und etwas «einfach nur zu wollen» nicht zu ihr passt, fragte er, ob es einen besonderen Grund gebe.
    «Nein», sagte sie.
    «Spuck’s schon aus.»
    Mit einem Seufzer ließ sie ihren massigen Körper in den Drehsessel ihm gegenüber sinken. «Du glaubst es nicht», sagte sie, «aber gestern hat er angerufen.»
    Jeden Tag gibt es einhundertzehn verschiedene Ers, die auf der Suche nach ihm sind, und doch wusste er sofort, dass sie von Menno sprach. Ging das Theater von vorne los? In seinem Kopf erklang Wijns Utrechter Geknurre. «Das ist nicht dein Ernst», sagte er. «Was hat er gewollt? Und warum erzählst du mir das erst jetzt?»
    «Liebling, Sonntag schien mir nicht der richtige Zeitpunkt zu sein. Ich fand, die Feuerwerkskatastrophe reicht für den Augenblick. Ich habe nicht vergessen, wie mitgenommen du bei dem Empfang gewesen bist. Kannst du das verstehen?»
    «Tineke, du hättest mich in Shanghai anrufen müssen. Sofort. Was wollte er?»
    «Er wollte … er wollte wissen, ob Joni überlebt hat.»
    «Menno Wijn?»
    «Menno Wijn? Wilbert. Wilbert hat angerufen.»
    «Verflucht.»
    «Verstehst du mich jetzt? Ich habe mich zu Tode erschreckt. Das Telefon klingelte während des Essens, ich war allein.»
    «Wie hat er sich angehört? Von wo rief er an?»
    «Er klang ruhig. Aber unfreundlich. Er war kurz angebunden.»
    «Wo wohnt er?»
    «Mein Lieber, nach so was habe ich ihn nicht gefragt. Das begreifst du doch bestimmt? Alles ging rasend schnell. Ich habe mit dem Jungen zehn Jahre nicht gesprochen.»
    Also war er einverstanden gewesen, natürlich war er einverstanden gewesen, jetzt, wo er die ganze Geschichte kannte, war es für ihn auch keine unangenehme Vorstellung mehr, dass Joni die nächste Zeit bei ihnen im Haus wohnen würde. Auf sein Drängen hin beschlossen sie, ihr nichts von dem Anruf zu erzählen. Soweit Tineke sich erinnern konnte, hatte Wilbert auch nicht darum gebeten, rein formal unterschlugen sie also nichts.
    «Das zu entscheiden liegt doch bei uns», sagte er.
    Folglich hatten die Evakuierten am Dienstagabend vor der Tür gestanden, offenbar gar nicht so unzufrieden mit der Aussicht auf ein großes Gästebett und eine eigene Dusche auf der Etage. Er selbst hastete da bereits seit zwei Tagen von einem Fernsehstudio zum nächsten und rannte sich die Hacken ab, um auf dem Campus Wohncontainer für obdachlose Studenten zu organisieren. Die Hektik war beträchtlich. Seit er von der Feuerwerkskatastrophe wusste, hatte er keine Sekunde mehr an diese Linda und ihre Website gedacht – bis zu dem Moment,

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