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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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erwartet. Sie antwortete, sie habe gedacht, ein Rector magnificus bestimme selbst, wann er nach Hause gehe. «Ich gebe dir einen kleinen Tipp. Es ist … mal nachrechnen … sechs Jahre her.»
    Er tat, als hielte er sechs Jahre für eine lange Zeit, und war über seine Schlagfertigkeit selbst erstaunt: «Vor sechs Jahren hast du an der Lernstandserhebung fürs sechste Schuljahr teilgenommen.»
    Sie pikste ihm mit dem Zeigefinger in den Bauch. «Zur Strafe kriegst du ein Glas Wein.» Geschmeidig schlüpfte sie hinter die Theke, entkorkte blitzschnell eine Flasche und goss, ohne zu kleckern, zwei Gläser ein. «Sagt dir der Name Marij Star Busman etwas?», fragte sie, ohne aufzuschauen.
    Nicht doch, dachte er. Bist du etwa die Tochter van Marij Star Busman? Besonders übel musste er es sich nicht nehmen, dass er das nicht gesehen hatte, denn Marij Star Busman war eine stämmige, ur-holländische Frau mit rotblonden Haaren und einem fleischigen Körper, der um einiges fruchtbarer aussah, als er war. Anfang der achtziger Jahre hatten sie und ihr Mann dieses thailändische Mädchen adoptiert, und später auch noch einen Jungen aus Birma; all diese Informationen ordneten sich in seinem Hirn. Er hatte die Familie erst später kennengelernt, während des ersten Jahrs seines Rektorats, als er sofort begonnen hatte, weibliche Professoren zu berufen. Der Lehrkörper an der Tubantia hatte damals einen blamablen Frauenanteil, der sogar von Universitäten in der islamischen Welt übertroffen wurde. Im Fachbereich Chemische Technologie war eine junge Doktorin tätig gewesen, die am laufenden Band, sogar in Nature publizierte und von den Studenten zum Dozenten des Jahres gewählt worden war. Die muss ich haben, hatte er sogleich gedacht, und bei einem informellen Mittagessen, zu dem er sie einlud, hatte sich diese Ansicht noch verfestigt. Marij Star Busman war eine ehrgeizige, kluge professorable Wissenschaftlerin, die, wie er meinte, schleunigst einen Lehrstuhl erhalten musste.
    Nicht einmal eine Woche nachdem er sich im Verwaltungsrat für ihre Berufung starkgemacht hatte, erreichte ihn die Nachricht von einer Massenkarambolage auf der nebligen A1 bei Zwolle, in die sein Schützling verwickelt war, zwei harte metallische Stöße, die sich mitnichten gegenseitig aufhoben. Zunächst sah es so aus, als wäre Marij Star Busman mit einer gebrochenen Nase davongekommen, doch nach ein paar Wochen konnte sie sich vor Nacken- und Rückenschmerzen kaum noch bewegen. Mit einem Stützkragen, Stimmungsschwankungen und einem Gedächtnis wie eine durchweichte Lochkarte landete sie zu Hause auf der Couch. In den sechs Monaten, die ihre Genesung andauerte, besuchte Sigerius sie alle paar Wochen, einmal auch mit Tineke, und so war allmählich eine gute Freundschaft entstanden. Abgesehen von einem äußerst sympathischen Ehemann und dem kleinen Sohn, schwirrte in dem Reihenhaus in Schothorst auch noch ein schüchternes, mageres Töchterchen mit Schlitzaugen herum, und jetzt, da ebendieses Mädchen ihm in erblühtem Zustand ein Glas Wein reichte, wusste er auch wieder, wie es hieß.
    «Isabelle», sagte er. «Willkommen zurück in Enschede!»
    Zu seiner Enttäuschung war die Familie in die Randstad umgezogen, nachdem der Dekan des Fachbereichs Chemische Technologie sein Veto gegen die Ernennung Star Busmans eingelegt hatte (zu jung, zu unerfahren, zu unbequem), ein Miniaturskandal, von dem, um die Pleite perfekt zu machen, auch noch die Universitätszeitung Wind bekommen hatte. Wie zu erwarten, ließ sich die TU Delft die Gelegenheit nicht entgehen und bot ihr Hals über Kopf einen Lehrstuhl an. Drei Jahre danach erhielt Star Busman die höchstdotierte niederländische Wissenschaftsauszeichnung, den Spinoza-Preis, für den Bau komplexer Moleküle und hyperselektiver Katalysatoren, eine Bestätigung ihres Könnens, die er der konservativen Chemieclique kräftig unter die Nase rieb.
    «Prost», sagte ihre Adoptivtochter. Die Wiederbegegnung mit Isabelle eröffnete in ihm ein Sperrfeuer an Fragen; sie zeigte ein grenzenloses Interesse an seinem Tun und Lassen, dann und wann unterbrochen von neckischen Nebenbemerkungen und einnehmenden Lachanfällen, die ihn von Mal zu Mal verlegener werden ließen. Wie es ihm in Enschede gefalle, warum er nicht Staatssekretär geworden sei (woher wusste sie davon?), wie viele solcher Empfänge er «abwickle», ob er immer noch Judo mache. Ob er sich noch daran erinnern könne, dass ihr kleiner Bruder ihn einmal

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