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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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geht es. Nature und nurture . Man kann einen geborenen Schuft durchaus zurechtbiegen.»
    Joni kam wieder, überraschend schnell, es war kaum vorstellbar, dass sie tatsächlich auf der Toilette gewesen war, vielmehr sah es so aus, als habe sie hinter einer der Farnpflanzen gestanden und mitgehört. «Du kannst das jedenfalls nicht», sagte sie, als sie an Aarons Rücken vorbeiglitt und wieder Platz nahm.
    Wie bitte? Hatte er sich verhört? Das schien ihm eine direkte Beleidigung zu sein, auch wenn er nicht wusste, worauf sie sich bezog und warum Joni sie aussprach. Aber wie vorwurfsvoll sie klang. Und warum jetzt? Hatte er etwas nicht mitgekriegt? Noch erstaunlicher als Jonis Ausfall fand er Sigerius’ Reaktion, eher gesagt: das Ausbleiben davon. Ein Runzeln durchfuhr den konzentrierten Ausdruck seines Gesichts, ein kaum wahrnehmbares, kurzes Zögern. Er legte das Besteck hin, Silber mit schwarzen Griffen, und wischte sich mit dem behaarten Handrücken den Mund ab.
    «Aaron, erzähl Joni so genau wie möglich, was dann passiert ist. Lass kein Detail aus. Ich möchte, dass du uns erzählst, wie du es dem Dreckskerl gezeigt hast.»
     
    Nein, natürlich hatte Aaron Bever es Manus Pitte nicht gezeigt, er hatte diesen Manus Pitte nie gesehen, nie gerochen – fast hätte er das selbst vergessen. Und wenn Pitte seinen Escort tatsächlich am Straßenrand geparkt hätte, um Aaron Bever ordentlich was auf die Fresse zu geben, dann hätte Aaron Bever keine Sekunde gezögert und das Gaspedal durchgetreten – nichts wie weg, mit qualmenden Reifen, bevor dieser Schiffschaukelbremser, dieser Autoausschlachter, dieser Schläger auch nur in die Nähe seines Taxibusses hätte kommen können. Raus und kämpfen? Er wäre chancenlos gewesen, vollkommen, genauso wie auch sein Bruder chancenlos gewesen war. Wenn Pitte Bastiaan durch die Drehtür geschleift hätte, dann hätte er ihm in kürzester Zeit alle Zähne aus dem Mund geschlagen und ihn wie eine Zahnpastatube ausgequetscht. Er hätte ihn bei sich zu Hause mit Pferdehaaren und alten Zeitungen ausgestopft und hätte ihm hinten im Wohnwagen ein Plätzchen zwischen der Karaokeanlage und Opas präpariertem Schäferhund zugewiesen.
    «Dazu kam es glücklicherweise nicht», sagte er. «Er schleifte mich bis zur Drehtür, ich wollte mich gerade am Türrahmen festhalten, als er mich plötzlich losließ. Wir fielen beide hintenüber. Ja, genau in dem Moment war es. Pitte erschrak vor irgendwas. Und als ich sah, was ihn erschreckt hatte, da erschrak ich auch. Aber Pitte erschrak mehr, Pitte kriegte wirklich einen Riesenschreck. Ein Mann kam aus der Drehtür, wahrscheinlich wollte er in die Ambulanz, vielleicht wegen einer Spritze oder um sich eine Euthanasie-Tablette zu holen. Er sah schrecklich aus. Während wir noch an der Tür stehen und aneinander zerren, bemerken Pitte und ich ihn gleichzeitig. Wir sehen beide ein Monster. Den Elefantenmann. Es waren keine Brandwunden, es war etwas anderes, eine unbekannte Landschaft, die dunkle Seite des Mondes, und aus den Fleischmassen starrte uns ein Auge an, das andere war mit Geschwüren überwuchert, eine Orgie aus wildem Fleisch, ein Aufstand von Warzen und Furunkeln …»
    Joni spuckte ihr Schnitzel auf den Teller. Ein Speiballen. «Aaron, tu mir einen Gefallen!»
    «Tu mir einen Gefallen.» Sigerius. «Weiter.»
    Aaron trank einen Schluck Wein. «Na ja, unser Held rappelt sich auf und stolpert rückwärts, ins Krankenhaus hinein. Merkwürdigerweise holt er sich noch sein Tablett und geht mit den nicht bezahlten Hot Dogs ins Foyer, wobei er sich ein paarmal umschaut.»
    «Und du?»
    «Hinterher, natürlich.»
    Eine Lawine des Vergnügens löste sich, als Aaron beschrieb, wie er Pitte, treppauf, treppab, rein in den Aufzug, raus aus dem Aufzug, verfolgt hatte. Mit dem Handy am Ohr (das Telefon fügte er einfach hinzu, niemand am Tisch dachte daran, dass es damals noch keine Mobiltelefone gab, sein Bruder hatte das Personal gebeten, die Polizei zu rufen) hetzte er ihn vor sich her: eine Treibjagd. «Das Tablett ließ Pitte vor dem Aufzug stehen.» Sigerius’ Schädel lief violett an und kippte in den Nacken, als Aaron erzählte, dass er die Hot Dogs vom Teller genommen hatte.
    «Und du, du hast reingebissen?» – das letzte Wort artete in ein brüllendes Gelächter aus, das tief in Sigerius’ Kehle entsprang, heranstürmte wie Lava. Aber die Frauen am Tisch lachten nicht mit. Joni sah mit vor Ärger verzogenem Gesicht von Aaron zu ihrem

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