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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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Augen und
setzte sich sofort auf, als er mich sah.
    »Du? Wie kommst du hierher?«
    Ich machte ihm ein Zeichen, nicht so
laut zu reden; wenn seine Mutter heraufkäme und mich in dem Zimmer ihres Sohnes
anträfe, könnte sie glauben... Und wer würde übrigens nicht glauben? Mich
erfaßte plötzlich eine panische Angst, und ich ging auf die Tür zu.
    »Aber wo gehst du hin?« rief Ceryl.
»Komm zurück... Cécile.«
    Er hatte mich am Arm gepackt und hielt
mich lachend fest. Ich drehte mich um und blickte ihn an. Er wurde blaß, so
blaß, wie ich selbst sein mußte — und ließ mich los, aber nur um mich wieder in
die Arme zu nehmen und an sich zu ziehen. Ich dachte wirr: Es mußte kommen, es
mußte kommen! Und dann war es der Reigen der Liebe: die Angst, die der Begierde
die Hand reicht, die Zärtlichkeit und das Rasen und der jähe Schmerz, dem
triumphierend die Lust folgt. Ich hatte das Glück, sie schon an diesem Tage
kennenzulernen — Cyril hatte die nötige Zartheit.
    Ich blieb eine Stunde lang bei ihm,
betäubt und erstaunt. Ich hatte von der Liebe immer reden hören, als sei sie
ein leichtes Ding. In der Unwissenheit meines Alters hatte ich selbst
unverblümt über sie gesprochen, und es schien mir, ich würde niemals wieder so
über sie reden können: so nüchtern und unbeteiligt... Cyril lag ausgestreckt
neben mir und sprach davon, mich zu heiraten und mich sein ganzes Leben lang
bei sich zu behalten. Mein Schweigen beunruhigte ihn. Ich richtete mich auf,
blickte ihn an und nannte ihn »mein Geliebter«. Er hob mir sein Gesicht entgegen.
Ich legte meinen Mund auf die Ader an seinem Hals, die noch immer klopfte, und
murmelte: »Mein Liebster, Cyril, mein Liebster.« Ich weiß nicht, ob es Liebe
war, was ich in diesem Augenblick für ihn empfand —ich war nie sehr beständig
und halte nichts davon, mich anders zu sehen, als ich bin —, aber in diesem
Augenblick liebte ich ihn mehr als mich selber; ich hätte mein Leben für ihn
gegeben. Als ich fortging, fragte er mich, ob ich ihm böse sei, und darüber
mußte ich lachen. Ihm böse sein für dieses Glück! ...
    Ich ging mit langsamen Schritten,
schwerfällig und erschöpft durch den Fichtenwald nach Hause; ich hatte Cyril
gebeten, mich nicht zu begleiten, es wäre zu gefährlich gewesen. Ich fürchtete,
daß in meinem Gesicht die Zeichen der Lust deutlich zu lesen stünden: in einem
Zittern, in den umschatteten Augen, in der Wölbung des Mundes. Vor dem Haus lag
Anne auf einem Liegestuhl und las. Ich hatte schon eine Reihe hübscher Lügen
bereit, um meine Abwesenheit zu erklären, aber sie stellte mir keine Fragen —
sie stellte nie Fragen. Ich setzte mich schweigend neben sie und dachte daran,
daß wir uns vor kurzem gestritten hatten. Ich bewegte mich nicht, meine Augen
waren halb geschlossen, und ich beobachtete den Rhythmus meines Atems und das
Zittern meiner Finger. Von Zeit zu Zeit kam die Erinnerung an Cyrils Körper,
die Erinnerung an gewisse Augenblicke, und leerte mein Herz.
    Ich nahm eine Zigarette vom Tisch und
rieb ein Zündholz an der Schachtel. Es erlosch. Ich zündete vorsichtig ein
zweites an, denn es war kein Wind, und nur meine Hand zitterte. Es erlosch, als
ich es an die Zigarette hielt. Ich schimpfte leise vor mich hin und nahm ein
drittes. Und dann, ich weiß nicht warum, bekam dieses Zündholz für mich eine
lebenswichtige Bedeutung; vielleicht weil Anne, plötzlich aus ihrer
Gleichgültigkeit gerissen, mich ohne Lächeln aufmerksam anblickte. Und in
diesem Moment waren Zeit und Umgebung ausgelöscht, und es existierte nichts
mehr als dieses Zündholz, meine Finger, die es hielten, die graue Schachtel und
Annes Blick. Mein Herz begann wild und mit großen Schlägen zu klopfen, meine
Finger umkrampften das Zündholz, es flammte auf, und während sich mein Gesicht
gierig der Flamme zuneigte, wurde sie von der Zigarette erstickt. Ich ließ die
Schachtel zu Boden fallen und schloß die Augen. Annes harter, fragender Blick
lastete auf mir wie ein Gewicht. Ich flehte irgend jemanden um irgend etwas an,
damit dieses Warten aufhöre. Annes Hände hoben mein Gesicht hoch, ich drückte
die Augen zu, aus Angst, sie könnte in meinem Blick lesen. Ich spürte Tränen
der Erschöpfung, der Ungeschicklichkeit, der Freude unter meinen Lidern
hervorquellen. Und dann, als ob sie auf alle Fragen verzichtete, nahm Anne mit
einer sanften Geste der Beschwichtigung, des Nicht-wissen-Wollens ihre Hände
von meinem Gesicht und ließ mich los. Sie steckte

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