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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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gefangen gibt... Er drehte sich auf dem Absatz um und
ging mit großen Schritten davon.
    »Dieses Luder«, murmelte er, »dieses
Luder!«
    »Warum sagst du das? Sie ist doch frei,
nicht wahr?«
    »Das ist es nicht! War es dir angenehm,
Cyril in ihren Armen zu sehen?«
    »Ich liebe ihn nicht mehr«, sagte ich.
    »Ich auch nicht, ich liebe Elsa auch
nicht mehr«, rief er wütend. »Aber es macht mir trotzdem etwas aus. Schließlich
habe ich ja... eh... mit ihr gelebt! Das ist viel schlimmer...«
    Ich wußte, daß es schlimmer war! Er
mußte genau wie ich das Verlangen gehabt haben, vorzustürzen, sie zu trennen,
sich wieder zu nehmen, was ihm gehört hatte.
    »Wenn Anne dich hören würde...!«
    »Was? Wenn Anne mich hören würde?
Natürlich, sie würde es nicht verstehen, oder sie wäre schockiert, das ist
normal. Aber du? Du bist meine Tochter, nicht wahr? Und du verstehst mich nicht
mehr, du bist auch schockiert?«
    Wie leicht es für mich war, seine
Gedanken zu lenken. Ich war etwas erschrocken darüber, wie gut ich ihn kannte.
    »Ich bin nicht schockiert«, sagte ich.
»Aber man muß den Dingen schließlich ins Auge sehen: Elsa hat ein kurzes Gedächtnis,
Cyril gefällt ihr, sie ist für dich verloren, besonders nach dem, was du ihr
angetan hast. Das gehört zu den Dingen, die man nicht verzeiht...«
    »Wenn ich wollte«, begann mein Vater
und hielt erschrocken inne...
    »Es würde dir nicht gelingen«, sagte ich
mit Überzeugung, als sei es ganz natürlich, darüber zu sprechen, ob er Chancen
habe, Elsa zurückzuerobern.
    »Aber ich denke auch gar nicht daran«,
sagte er, wieder vernünftig geworden.
    »Gewiß«, sagte ich und zuckte mit den
Achseln.
    Dieses Achselzucken sollte heißen: ›Unmöglich,
mein Armer, du bist aus dem Rennen ausgeschieden.‹ Er sprach den ganzen Weg
nicht mehr mit mir. Als wir zu Hause waren, nahm er Anne in seine Arme und
hielt sie ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen fest. Sie ließ es lächelnd
und erstaunt geschehen. Ich ging aus dem Zimmer auf den Gang hinaus und lehnte
mich, zitternd vor Scham, an die Wand.
    Um zwei Uhr hörte ich Cyrils leisen
Pfiff und ging zum Strand hinunter. Er ließ mich gleich ins Boot steigen und
fuhr ins offene Meer hinaus. Das Meer war völlig verlassen, kein Mensch dachte
daran, bei dieser Hitze aus dem Haus zu gehen. Als wir auf offener See waren,
zog er das Segel ein und wandte sich zu mir. Wir hatten kaum ein Wort
gesprochen.
    »Heute morgen...« begann er.
    »Sei still«, sagte ich, »oh, sei
still...«:
    Er legte mich sanft auf das Segeltuch
zurück. Es war eng und unbequem, und wir glänzten vor Schweiß. Unter uns
schwankte das Boot in einem gleichmäßigen Rhythmus. Ich sah die Sonne an, sie
stand gerade über mir. Und plötzlich das gebieterische und zärtliche Flüstern
Cyrils... Die Sonne machte sich los, zersplitterte und fiel auf mich... Wo war
ich? Auf dem Grunde der See, auf dem Grunde der Zeit, auf dem Grunde der Lust...
Ich rief Cyril mit lauter Stimme, er antwortete mir nicht, er brauchte mir
nicht zu antworten.
    Und nachher die Frische des
Salzwassers. Wir lachten zusammen, geblendet, träge, dankbar. Wir hatten die
Sonne und das Meer, wir hatten Liebe und Gelächter. Würden wir sie jemals so
wiederfinden wie in diesem Sommer, mit dem Glanz und der Kraft, die Angst und
schlechtes Gewissen ihnen verliehen?
    Außer dem physischen und sehr realen
Vergnügen, das mir die Liebe bereitete, empfand ich auch eine Art von
intellektueller Freude bei dem Gedanken an sie. Der Ausdruck »faire l’amour«
hat einen eigenen Reiz, der, unabhängig von seinem Inhalt, in den Worten selber
liegt. Die Verbindung des sachlichen und nüchternen Wortes »faire« mit dem
abstrakten und poetischen »amour« entzückte mich. Ich hatte früher ohne die
geringste Scheu, ohne die geringste Scham darüber gesprochen und nie bemerkt,
welch besonderen Charme diese Formulierung besitzt. Und jetzt spürte ich, wie
ich sittsam wurde. Ich senkte die Augen, wenn mein Vater Anne etwas starr
anblickte und wenn sie leise lachte, mit diesem neuen, kleinen, unanständigen
Lachen, bei dem mein Vater und ich blaß wurden und aus dem Fenster blickten.
Hätten wir Anne sagen sollen, wie ihr Lachen war? — Sie hätte uns nicht
geglaubt. Sie verhielt sich meinem Vater gegenüber nicht wie eine Geliebte,
sondern wie eine Freundin, eine zärtliche Freundin. Aber in der Nacht,
bestimmt... Ich untersagte mir derartige Vorstellungen, ich haßte schwüle
Gedanken.
    Die Tage

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