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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Kleidung, holte einen Beutel heraus,
schnürte ihn auf und kehrte ihn um.
    Ein kleiner, glatter, runder Gegenstand fiel in seine Hand.
    Orphan sah sich das Objekt genau an. Es bestand aus grünem Metall,
das ein unheimliches Leuchten von sich gab und das Licht zu absorbieren schien,
sodass es in den Zellen vorübergehend noch dunkler wurde. Außerdem schien das
Ding zu pulsieren wie ein Herz, das man gerade jemandem aus dem Leib gerissen
hatte.
    Orphan hatte den Eindruck, als flüsterte es ihm etwas zu, in einer
mechanischen Sprache, die sich ständig veränderte und in die sich von ferne das
Geräusch von Trommeln mischte. Immer mehr schlug es ihn in seinen Bann, bezog
ihn in seinen Rhythmus ein, der eine endgültige Erklärung zu versprechen, sich
ihr mehr und mehr zu nähern schien …
    Â»Es spricht zu mir«, sagte der andere. »Ich kann sie hören. Sie
alle. Die Toten … die noch leben … im dunklen Reich des Bookman. Sie lassen
mich nie in Frieden!«
    Orphan starrte ihn an. Er vermeinte Stimmen zu hören, die ihm etwas
ins Ohr flüsterten und allmählich lauter wurden. »Was meinst du damit?«, fragte
er.
    Der andere kicherte. »Ich kann es dir zeigen«, erwiderte er.
    Â»Was denn?«
    Â»Nicht was, sondern wen.« Der andere nahm den Gegenstand fest in die
Hand. »Man kann sie für kurze Zeit zurückholen. Wie Geister. Sie reden gern.
Ständig reden sie!«
    Â»Lucy?«, flüsterte Orphan.
    Der andere schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Â»Und wie geht das vor sich?«, fragte Orphan.
    Â»Das weiß ich nicht, aber ich kann es dir zeigen.« Er war wie ein
Kind, das eifersüchtig über sein Spielzeug wachte und gleichzeitig damit
angeben wollte. »Hier.«
    Der andere bewegte die Hand, das Ei leuchtete auf. »Er ist mein Freund«,
erklärte er.
    Langsam materialisierte sich in der Zelle eine Gestalt – mit einem
Gesicht, das Orphan kannte und das ihn mit blinden Augen anlächelte.
    Â»Orphan«, sagte Gilgamesch. »Wie ich sehe, bist du fleißig gewesen.«
    Die Gestalt hatte Gilgameschs Gesicht und seine blinden
Augen. Der Stimme haftete jedoch etwas Unirdisches, Schwebendes an.
    Â»Du bist tot«, stellte Orphan fest, worauf Gilgamesch lächelnd
nickte. »Habe ich Halluzinationen?«
    Â»Das fragst du mich?«
    Gilgamesch klang amüsiert. Orphan begriff, wie unsinnig seine Frage
war. »Was geht hier vor sich?«, fragte er.
    Â»Dieses Ei«, sagte Gilgamesch. »Dieses Übertragungsgerät … Darüber habe ich schon einiges gehört. Ich glaube, es kann irgendwie
mit den Maschinen des Bookman in Verbindung treten. So viele von uns sind hier,
Orphan … so viele Seelen, in eine Flasche eingesperrt, ohne
Sinneswahrnehmungen, ohne Körper, nur Schemen dessen, was wir einst waren. Das
weiß er noch nicht. Du musst vorsichtig sein.«
    So viele … Lucy, dachte Orphan, doch Gilgamesch schüttelte den Kopf,
als hätte er seine Gedanken gelesen. »Sie ist nicht hier.«
    Â»Was heißt das?«
    Â»Keine Ahnung. Vielleicht ist sie irgendwo separat untergebracht.
Vielleicht hat sie wieder einen Körper erhalten.«
    Orphan dachte daran zurück, wie er Lucy in einem Boot gesehen hatte,
kurz nach seiner Begegnung mit Mycroft. Er hatte allein am Ufer der Themse
gestanden, als das Boot aus dem Nebel auftauchte, mit einem einzigen Passagier,
bei dessen Anblick es Orphan den Atem verschlagen hatte.
    Die Person im Boot war Lucy gewesen. Sie trug ein schönes weißes
Kleid, das mit dem Nebel zu verschmelzen schien, und saß unnatürlich still am
Bug des Bootes, das dem Ufer so nahe kam, dass Orphan Lucy fast hätte berühren
können. Fast.
    Â»Vielleicht ist sie auch gelöscht worden«, sagte Gilgamesch mit
leiser Stimme.
    Die Worte fuhren Orphan wie ein Dolch in die Brust. »Nein«, sagte
er. »Nein.«
    Â»Willst du sie zurückholen?«, fragte Gilgamesch.
    Â»Euch alle will ich zurückholen.«
    Sein alter Freund kicherte. »Du bist ein guter Junge, Orphan.«
    Â»Was ist mit dir geschehen?«, erkundigte sich Orphan, dem einfiel,
wie er Gilgamesch vergeblich unter der Brücke gesucht und die Flasche mit
seiner letzten Nachricht gefunden hatte. Ich habe dich doch gebraucht, dachte
er.
    Â»Das weiß ich«, erwiderte Gilgamesch, abermals Orphans Gedanken
lesend. »Ich wünschte, ich hätte für dich da sein

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