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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Stadt zu Veranstaltungen, die
etwas mit dem Königshaus zu tun hatten. Sie und Kangee zogen in ein kleines
Haus in Limehouse – wo sich auch heute noch viele Einwanderer niederlassen und
wo man gut untertauchen kann. Eine Zeit lang war alles gut. Als der Kleine
geboren wurde, nannten sie ihn William. Sein Vater gab ihm noch einen zweiten
Namen, nämlich Chaska , was Erstgeborener bedeutet.
    Ich war sein Pate. Dein Pate, Orphan. Du bist nicht immer ein
Waisenkind gewesen.
    Doch dann tauchte der Mann auf.
    Wie sie sie gefunden haben, weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind sie
die Schiffsregister im Hafen durchgegangen und haben das Schiff ausfindig
gemacht, das sie aus dem Meer gerettet hatte. Allzu schwierig dürfte das nicht
gewesen sein. Einen Monat nach der Geburt des Babys kam Kangee zu mir und
erzählte, dass man seinen ehemaligen Kapitän tot in einer Gasse aufgefunden
habe.
    Das war nichts Ungewöhnliches. Damals herrschten in der Stadt noch
rauere Sitten, und es kam öfter vor, dass jemand überfallen wurde.
    Doch dann war da noch dieser Mann.
    Der herumging und Fragen stellte – ein junger, nicht unattraktiver
Mann, sehr beherrscht, sehr freundlich.
    Vor dem hatte Kangee gewaltige Angst. Obwohl er ihn nicht kannte,
bemerkte er gleich, dass er alle Eigenschaften eines Jägers besaß. Im späteren
Leben wurde der Mann dann auch als Großwildjäger berühmt. Vielleicht hast du
schon von ihm gehört, Orphan.
    Sein Name war Sebastian Moran. Ja. Tiger Jack Moran.
Du hast also schon von ihm gehört. Nun, das überrascht mich nicht. Damals war
er noch jung, hatte aber bereits große Ambitionen als Jäger und begnügte sich
nicht mit Kleinwild.
    Kangee fragte mich um Rat. Tiger Jack stellte Mary und ihm nach,
pirschte sich langsam an sie heran, war aber noch nicht direkt in Erscheinung
getreten. Was sollte er tun?, wollte Kangee von mir wissen. Es war klar, dass
die Lézards hinter Mary her waren. Sie war eine Gefahr für sie, bestenfalls
eine Belastung. Sie bedrohte ihre Sicherheit.
    Lauft weg, sagte ich. Verlasst die Stadt. Fahrt nach Frankreich oder
– was noch besser wäre – nach Vespuccia. Ihr müsst so weit wie möglich vom
Empire weg. Dann lassen sie euch vielleicht in Ruhe.
    Obwohl es Kangee widerstrebte wegzulaufen, willigte er um des Babys
willen ein. Er wollte zu den Sioux zurückkehren, wo sie in Sicherheit gewesen
wären. Ich beschaffte ihnen falsche Papiere, und Kangee buchte heimlich eine
Überfahrt auf einem der damals noch neuen Dampfschiffe nach Vespuccia. Alles
war bereit.
    Orphan, das habe ich noch nie jemandem erzählt. Dazu war ich bisher
nicht imstande. Als ich noch einen Körper hatte, war er mit bestimmten Sperren
versehen. Ich war niemals in der Lage, von Calibans Insel, meinen Reisen mit
Vespucci oder vom Bookman zu sprechen, jedenfalls konnte ich nichts sagen, was
über Banalitäten und Gemeinplätze hinausging. Nur einmal ist mir das gelungen,
kurz vor meinem Tod, und jetzt habe ich erneut die Möglichkeit, mit dir – wenn
auch nur kurz – darüber zu sprechen, mit Hilfe dieser seltsamen Vorrichtung,
dieses Eis, das eine Verbindung herstellt zu den Gewölben des Bookman.
    Trotzdem habe ich Angst, dir zu schildern, was damals geschah.
    Es war eine kalte Winternacht, der Wind drang wie mit Messern durch
die Kleidung. Wir standen an den Docks. Kangee, Mary und du, der kleine William
Chaska. Du warst ein fröhliches Baby, das weiß ich noch.
    Ich verabschiedete mich, was mir schwerfiel, denn ich hatte euch
alle ins Herz geschlossen, besonders dich, Orphan. Ich hatte nicht die Absicht …
    Ich hätte nichts tun können, verstehst du?
    Kangee hatte dich auf dem Arm, als er und Mary an Bord gingen. Ich
stand am Kai und winkte.
    Ich hörte den Schuss überhaupt nicht.
    Dann hörte ich Kangee schreien, hörte, wie jemand ins Wasser fiel –
Mary, die schon tot war, bevor sie im Wasser aufschlug. Zum ersten Mal in
meinem Leben war ich froh, nicht sehen zu können.
    Gegenüber von uns, im obersten Stockwerk des Lagerhauses der East
India Company, packte Tiger Jack gerade sein Gewehr ein. Er hatte seinen
Auftrag erfüllt.
    Kangee kam mit dir auf dem Arm vom Schiff. Das war das einzige Mal,
dass ich erlebte, wie er weinte. Er war ein gebrochener Mann. Wie war das
möglich?, sagte er. Nur wir drei wussten von dem Plan. Woher wusste Tiger Jack,
wann und wo er auf uns warten

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