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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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jedoch nicht gelang. »Ist er denn nicht bei der
Explosion umgekommen?«
    Irene starrte in ihr Weinglas. Das Byron-Simulacrum saß reglos da,
wie eine Maschine, die man vorübergehend abgeschaltet hatte. »Was ich Ihnen
jetzt erzählen werde, ist ein Staatsgeheimnis«, sagte Irene nach einer Weile.
»Aber ich glaube, dass wir inzwischen über Geheimnisse hinaus sind, Orphan.«
Als sie den Kopf hob, bemerkte Orphan die tiefe Erschöpfung, die aus ihren
Augen sprach.
    Â»Ein paar Stunden nach der Explosion im Theater wurde Beerbohm Tree
in einem aufgegebenen Lagerhaus bei den Docks tot aufgefunden. Dort hatte er
mindestens seit dem Vortag gelegen. Er war überhaupt nicht im Theater.« Sie
drehte ihr Weinglas am Stiel hin und her. »Als wir … als ich ihn fand, war
nicht mehr viel von ihm übrig. In seinen verkrampften Händen hielt er einen
verkohlten Gegenstand, der einmal ein Buch gewesen sein könnte.«
    Â»Der Bookman …«, stieß Orphan hervor. »Aber ich habe ihn dort
gesehen«, wandte er ein. »Ich habe ihn doch im Theater gesehen.« Selbst in
seinen eigenen Ohren hörte sich das trotzig an. Dann fiel sein Blick auf Byron.
»Es war eine Maschine«, flüsterte er.
    Der Byron-Roboter erwachte zum Leben. »Tatsächlich?«, fragte er.
»War es tatsächlich eine Maschine, Orphan? Bei La Mettrie steht, dass der menschliche Körper eine Maschine ist, die ihre Federn selbst
aufzieht . Kann eine Maschine in einem Stück mitwirken? Kann eine
Maschine Musik spielen? Kann eine Maschine lieben?«
    Â»Das … das weiß ich nicht«, erwiderte Orphan. Er blickte zwischen
Byron und Irene hin und her. »Was hat das zu bedeuten?« Am liebsten hätte er
laut geschrien. »Was hat das alles mit Lucy zu tun?«
    Â»Nach der Explosion im Richmond Park«, erklärte Irene Adler, »wurde
eine ungeheure Freisetzung von Energie registriert, zu der es in genau dem
Moment kam, als das Buch in Lucys Händen in die Luft ging. Nach der Explosion
im Theater haben wir eine ähnliche Transmission registriert. Diese Bücher, mit
denen der Bookman so raffiniert tötet, sind nicht nur Bücher, sondern
Vorrichtungen einer ganz bestimmten Art.«
    Orphan schluckte schwer. Sein Glas Bier stand vergessen vor ihm auf
dem Tisch. »Die wozu dienen?«, fragte er.
    Â»Vielleicht dazu«, erwiderte Irene so leise, als spräche sie zu sich
selbst, »etwas einzufangen.«
    Â»Und was?« Er dachte an das Theater zurück, an den nachgemachten
Beerbohm Tree, der vom echten nicht zu unterscheiden gewesen war. Als wäre der
Mann in allen Details kopiert, neu erschaffen worden, um dann seine Rolle zu
spielen, als wäre nichts geschehen … Der Gedanke ließ eisige Kälte in ihm
aufsteigen. »Sie glauben, er raube den Menschen die Seele.«
    Lucy, schoss es ihm durch den Kopf. Das also hatte ihm die
Inspektorin begreiflich machen wollen. Wenn Lucy nicht getötet, sondern
lediglich … was geworden war? Entführt? Transferiert? Vom Herrn des Hades zu
sich genommen, um für alle Ewigkeit einsam an seinem düsteren Hof zu weilen?
    Â»Schon möglich«, sagte Irene Adler. In ihren Augen lag ein derart
schmerzlicher Ausdruck, dass Orphan den Blick abwenden musste. Er hatte den
Eindruck, dass sie nach innen schaute, um sich tief in ihrem Innern eine
Erinnerung zu vergegenwärtigen. Und er begriff, dass auch sie jemanden, den sie
liebte, durch den Bookman verloren hatte. Aber wen?
    Byron meldete sich wieder zu Wort. »La Mettrie sagt«, verkündete er,
»dass Seele nur ein leeres Wort ist, von dem niemand eine
Vorstellung hat und das ein aufgeklärter Mensch lediglich dazu benutzen sollte,
um den Teil von uns, der denkt, zu bezeichnen. Es bedarf nur eines geringen
Antriebs, dann haben belebte Körper alles, was nötig ist, um sich zu bewegen,
zu fühlen, zu denken, zu bereuen, kurzum: um sowohl in der physischen als auch
in der davon abhängigen moralischen Welt zu agieren. « Seufzend blickte
er an sich herab und schüttelte den Kopf, als wäre er verwirrt. »Lassen Sie
mich nochmals die Frage stellen«, sagte er. »Was ist eine Maschine?«
    Doch Orphan hörte kaum zu. Kann es sein, überlegte er, dass Lucy
irgendwie noch am Leben ist? Könnte sie zurückkommen – so wie Beerbohm Tree
zurückgekommen war –, und sei es auch nur für kurze Zeit? »Wie kann

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