Bookman - Das ewige Empire 1
der ihn zu
Anfang untersucht hatte.
»Tag, Dr. W.«, sagte der Mann auf der linken Seite. »Heute bringen
wir Ihnen âne gute, bei meiner Ehre.« Er sah seinen Gefährten an und lächelte.
»Zwei gute. Und ganz frisch.«
»Halten Sie den Mund, Sie Dummkopf«, knurrte der Arzt. Nervös strich
er sich über seinen Schnurrbart, dann machte er eine auffordernde Handbewegung.
»Bringen Sie sie herein. Schnell.« Als sich die Tür weiter öffnete, sah Orphan,
dass noch andere Männer im Zimmer waren, die er aber nicht deutlich erkennen
konnte.
Während die beiden Männer ihre Last durch die Tür zerrten, ging
einer der Säcke auf. Voller Entsetzen nahm Orphan wahr, wie ein schlanker
weiÃer Arm aus der Ãffnung rutschte.
Als der Arzt das bemerkte, blieb er stehen.
»Ich habe keine Frau bei Ihnen bestellt, Bishop«, sagte er. »Ich
werde Sie nicht für etwas bezahlen, das ich nicht brauche.«
»Das ist keine Frau, sondern ein groÃer Junge«, erwiderte Bishop
gekränkt. »Hier, sehen Sie.« Daraufhin machte er den auf der Türschwelle
liegenden Sack ganz auf.
Die Leiche, die zum Vorschein kam, war tatsächlich nicht die einer
Frau, sondern die eines etwa fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jungen. Sein
Gesicht wirkte seltsam friedlich, als schliefe er nur und würde bald erwachen,
um sein Abendessen zu verlangen. Er hatte fein geschnittene Gesichtszüge, die
von Wohlleben zeugten.
Angewidert musterte der Arzt die zwei Männer. »Woran ist er
gestorben, Bishop?« Dann wandte er sich an den anderen Mann, der grinsend
seinen Sack festhielt. »May?«
»Weià ich nicht. Ist mir auch egal«, sagte Bishop. Sein Kumpan
nickte und fügte hinzu: »Ist doch unwichtig, woran er gestorben ist. Jetzt ist
er tot und steif.«
»Kommen Sie endlich rein, verdammt noch mal!«, rief von drinnen eine
befehlsgewohnt klingende Stimme. Der Arzt und die zwei Leichenräuber (denn das
mussten sie, wie Orphan begriff, sein: »Wiederauferstehungsmänner«, die ihrem
schmutzigen Gewerbe nachgingen) beeilten sich, durch die Tür zu kommen, die der
Arzt hastig hinter sich schloss.
Orphan, dem die ganze schaurige Szene nach wie vor nur wie ein Teil
seines Albtraums vorkam, schlich sich um die Ecke in den Korridor, um durch das
Schlüsselloch zu spähen.
Drinnen schien die Auseinandersetzung weiterzugehen.
»Dieses Objekt ist zu frisch«, stellte der Arzt fest, was die zwei
Männer mit einem Lachen quittierten.
»Tatsache ist«, erwiderte Bishop, »dass Sie nichts über frische
Objekte wissen, weil Sie nie welche zu Gesicht kriegen!«
Die befehlsgewohnte Stimme von vorhin meldete sich zu Wort und
knurrte: »Das Objekt muss frisch sein. Also hören Sie auf zu streiten und
machen Sie sich an die Arbeit!«
Der Arzt blieb jedoch hartnäckig. »Ich glaube kaum, dass der hier
jemals begraben war«, sagte er. »Wo haben Sie den her?«
»Von dieser Sache verstehen Sie doch überhaupt nichts!«, entgegnete
Bishop aufgebracht.
»Das reicht jetzt«, schaltete sich der Mann, der die Leitung zu
haben schien, ein. Alle verstummten. Das Einzige, was Orphan auszumachen
vermochte, war die massige Gestalt des Mannes; sein Gesicht konnte er nicht
erkennen.
Orphan drückte sich gegen die Tür und versuchte, das Innere des
Raums besser in den Blick zu bekommen.
Einen Moment lang lag das ganze Zimmer vor ihm: Auf der einen Seite
standen die beiden Leichenräuber mit ihrer schaurigen Ware; der Arzt hatte sich
neben etwas aufgestellt, das ein groÃer Sarg zu sein schien; der fette Mann saÃ
in einem Sessel, von dem aus er den Raum überblicken konnte; zwei weitere
Männer, die sich aufgrund ihrer weiÃen Kittel glichen wie ein Ei dem anderen,
standen neben einer riesigen Apparatur mit unzähligen blinkenden Lämpchen.
Was befand sich in dem Sarg? Dämpfe stiegen aus ihm auf, eisige
weiÃe Schwaden, die das Zimmer wie den Kühlraum eines Schlachthauses wirken
lieÃen. Eine Leichenhalle, dachte Orphan bei sich. Der Sarg bestand aus Metall
und war über einen Meter achtzig lang. Also musste eine groÃe Person darin
liegen. Aber wer?
Blinzelnd atmete Orphan tief durch. Ja. Jetzt konnte er ein Gesicht
erkennen, schmal, mit Adlernase und kantigem, vorspringendem Kinn. Die Augen
standen offen und starrten ins Nichts, als wäre der Mann gar nicht tot, sondern
als
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