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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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(für die hohen Herrn)
Und ’nen Kampfplatz, wo Hähne sich massakrieren.
    John Ashton, »Die Vergnügungsstätten von London«
    Tief in Gedanken versunken überquerte Orphan die Brücke, um
sich nach Hause zu begeben. Nachdem Byron gegangen war, hatte er sein Bier
ausgetrunken und Irene Adler gedankt. Jeder von ihnen hing seinen eigenen
Gedanken nach, sodass sie kaum miteinander sprachen. Eigentlich hatte er sie
fragen wollen, wen sie durch den Bookman verloren hatte, besann sich aber
anders, als er den Ausdruck in ihren Augen bemerkte. Deshalb verabschiedete er
sich und verließ den Pub. Draußen war eisiger Nebel über die Stadt hergefallen
wie ein fahler Eroberer aus dem Norden.
    Orphans Schritte waren kaum zu hören, als er über die Brücke ging.
Ringsum war alles menschenleer, als hätten die Einwohner die Stadt verlassen
und er allein wäre zurückgeblieben, der letzte lebende Mensch in einer
Geisterstadt. Selbst die Wale waren verstummt. Um Lucy zu retten, sinnierte er,
muss ich den Bookman finden. Aber wie soll ich das anfangen? Er vermisste sie
schmerzlich und sehnte sich so sehr nach ihr, dass es wehtat. Sie gehörten
zusammen, er und sie.
    Als er zum Strand gelangte, meinte er, über sich ein leises,
gleichmäßiges Geräusch zu hören. Er hob den Kopf und sah, wie sich am Himmel
etwas Dunkles bewegte. Ein nicht gekennzeichnetes schwarzes Luftschiff, dachte
er. Fast wäre er in Lachen ausgebrochen. Das war eine von Jacks versponnenen
Ideen. Als er an St. Martin in the Fields vorüberkam, war ihm so, als erblickte
er hoch über sich erneut das Luftschiff. Er ging die St. Martin’s Lane entlang
und bog erleichtert nach links ab, in den Cecil Court.
    Paynes Buchladen war eine Oase des Lichts in einer dunklen Welt. Als
er eintrat, überkam ihn das wohlige Gefühl, zu Hause zu sein. Die vertrauten,
unterschiedlichen Gerüche der Bücher buhlten um seine Aufmerksamkeit. Da war
der muffige, durchdringende Geruch antiquarischer Werke, der angenehme Duft
neuer Ledereinbände, das unverwechselbare Odeur druckfrischer Bücher – sie alle
kamen ihm entgegen, um ihn wie ein ganzer Schwarm Verwandter bei einer
Familienfeier zu begrüßen.
    Brennende Kerzen waren willkürlich im Raum verteilt, standen schief
auf Bücherstapeln sowie auf dem langen Ladentisch. In ihre Lichtkreise mischten
sich Schatten, die wie bemalte Augenlider auf und ab zuckten. Orphan ging ins
Hinterzimmer, wo ihn wie immer sein Bett erwartete, ein alter, angenehmer
Gefährte.
    Auf dem kleinen Tisch stand eine flackernde Kerze, daneben zwei
Gläser und Jacks Flasche Old Bushmills.
    Das ist, als wäre ich gar nicht weg gewesen, dachte Orphan. Als
hätte es die Ereignisse der letzten Tage nicht gegeben, als käme ich gerade von
dem Treffen mit Lucy nach Hause. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, das diesen
Ereignissen etwas Unwirkliches verlieh, doch sein Schmerz über ihren Verlust
war bittere Wirklichkeit und ließ es nicht zu, dass er sich tröstlichen Träumen
hingab. Er legte sich aufs Bett. Das Flackern der Kerze drang durch seine
geschlossenen Augenlider und lullte ihn in den Schlaf. Er war erschöpft und
immer noch von seinen Verletzungen geschwächt. Außerdem war ihm kalt.
    Â»Orphan.«
    Als er die Augen öffnete, sah er, dass die Kerze fast völlig
heruntergebrannt war. Eines der Gläser auf dem Tisch fehlte, die Flasche stand
an anderer Stelle. An der Tür erblickte er eine in Schatten gehüllte Gestalt
und schreckte zusammen, da er das nicht erkennbare Gesicht mit dem assoziierte,
was er gerade in einem grässlichen Albtraum erlebt hatte: Er hatte geträumt …
hatte vom Bookman geträumt, einem monströsen Wesen, das aus den vergilbten
Blättern unzähliger Bücher bestand und ein Gesicht aus gebleichtem Pergament hatte,
mit Augen im Goldschnitt. Diese Kreatur war ihm in einem finsteren Labyrinth
aus Bücherregalen hinterhergeschlichen.
    Die Gestalt an der Tür bewegte sich – es war nur Jack, der ein halb
volles Glas Whiskey in der Hand hielt. Sein Gesicht sah abgespannt und müde
aus, unter den Augen hatte er dunkle Ringe.
    Â»Jack.«
    Benommen setzte sich Orphan auf. Sein Fuß stieß gegen ein
Bücherregal, mehrere Bücher purzelten zu Boden. Er schüttelte den Kopf, um die
Überreste seines Traums daraus zu vertreiben. Jack trat zu ihm und setzte sich
ihm gegenüber

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