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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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auf den Stuhl. Anschließend schenkte er Whiskey in das andere
Glas und reichte es Orphan. »Tut mir alles sehr leid.«
    Orphan nickte und nahm den Drink in die Hand. Dann saßen sie still
beisammen. Orphan starrte auf das Glas in seiner Hand und wusste nichts zu
sagen. Deshalb war es Jack, der schließlich das Schweigen brach. »Was willst du
jetzt tun?«, fragte er, indem er den Kopf schief legte und Orphan mit
bekümmertem Gesichtsausdruck ansah.
    Doch darauf wusste Orphan keine Antwort. Er fühlte sich
desorientiert, war sich nicht einmal sicher, ob es noch Nacht oder ob der Tag
bereits angebrochen war, während er geschlafen hatte. »Wie spät ist es?«,
erkundigte er sich. Jack nickte, als hätte Orphans Frage etwas bestätigt, das
er bisher nur vermutet hatte. »Vier, halb fünf.« Offenbar bemerkte er die
Verwirrung in Orphans Blick. »Morgens«, fügte er hinzu. Plötzlich erhob er sich
und stellte sein leeres Glas auf den Tisch. »Komm mit.«
    Â»Was ist denn los, Jack?«
    Sein Freund schüttelte den Kopf. »Ich möchte dir etwas zeigen. Also
komm.«
    Ã„chzend stand Orphan vom Bett auf. Ihm war seltsam benommen zumute,
als schliefe er noch und das alles wäre nur ein böser Traum. Er stellte den
Whiskey, von dem er keinen Schluck getrunken hatte, auf den Tisch und folgte
Jack aus dem Zimmer.
    Nachdem sie aus dem Laden getreten waren, schlug die Tür krachend
hinter ihnen zu. Obwohl der Nebel nachgelassen hatte, war es draußen kalt und
feucht, und es stank nach Kanalisation. Während Orphan geschlafen hatte, war
Regen niedergegangen, der jedoch keinerlei reinigende Wirkung auf die Stadt
gehabt hatte. Schwarze, beklemmende Finsternis lag über dem Cecil Court, die
die schwachen Gaslichter in der St. Martin’s Lane nicht zu durchdringen
vermochten.
    Ohne etwas zu sagen, folgte er Jack. Sie überquerten die St.
Martin’s Lane und gingen durch die New Row, vorbei an geschlossenen Geschäften,
bis sie die King Street erreichten. Orphan hörte die Geräusche einer Schlägerei
– Schreie, splitterndes Glas, heiseres, wildes Gelächter –, die offenbar vor
dem alten Bucket of Blood-Pub in der Rose Street stattfand.
    Jack führte ihn weiter. Der mit Gaslicht beleuchtete Marktplatz war
ein Ort der Schatten und des Lasters. Erschöpfte Prostituierte – hauptsächlich
Frauen, obwohl hier und da auch ein Mann mit entblößter Brust zu sehen war –
standen in kleinen Gruppen auf dem überdachten Platz, um mit Nachtschwärmern zu
verhandeln, die nicht mehr ganz sicher auf den Beinen zu sein schienen. Ein
Mann stieß einen lauten Fluch aus und wurde weggeschubst; immer noch laut
fluchend, machte er sich davon. An der Ecke des Opernhauses war ein Stand
aufgebaut, an dem ein Mann Zwiebeln und Würstchen briet, deren Geruch sich über
den ganzen Platz ausbreitete.
    Orphan mochte Covent Garden bei Tage, wenn dort der Obst- und
Gemüsemarkt abgehalten wurde und es aus den umliegenden kontinentalen
Restaurants nach Knoblauch und Gewürzen duftete. Nachts mied er den Ort, denn
dann wurde dieser zum Magneten, der jeden Wüstling und jeden Trunkenbold im Ewigen
Empire anzuziehen schien. Selbst zu dieser späten Stunde waren die Bordelle in
den Nebenstraßen zweifellos noch geöffnet, und in den Pubs saßen nach wie vor
späte Zecher, die sich weigerten, sich von der Nacht zu verabschieden und
endlich ihr Bett aufzusuchen. Orphan fragte sich, was Jack und er zu dieser
Stunde hier zu suchen hatten. Doch da er alle Willenskraft verloren zu haben
schien, trottete er Jack ohne Widerrede hinterher.
    Sie kamen an einer Gruppe betrunkener Studenten vorbei, die den
beliebten Gassenhauer »Wenn ich ’nen Esel hätt’, der störrisch ist« grölten.
Orphan grinste, als er die letzte Strophe hörte, auf die der schwungvoll
vorgetragene Refrain folgte:
    Bills Esel musst’ vor Gericht sich
verfügen,
    Wo er dann sorgte für großes Vergnügen.
    Er schrie laut iah – ganz ohne Genieren –,
    Als wollt’ er in eigener Sache plädieren.
    Der Fall war klar, der Esel im Recht,
    Der Richter bestimmte, dass Bill reichlich
blecht
    Zur Strafe, weil er den Esel verdrescht.
    Und er sagte … (als der Refrain
einsetzte, grölten die Studenten noch lauter) … und er
sagte!
    Wenn ich ’nen Esel hätt’, der
störrisch ist,
    Ich würd ihn nie

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