Bookman - Das ewige Empire 1
Gestank
ungewaschener Körper ausgesetzt gewesen war, als willkommene Abwechslung
empfand. Die Bucht kam ihm wie ein tropisches Paradies vor, so unwirklich wie
die Darstellung auf einem französischen Gemälde. Etwas, das kein Vogel war,
segelte mit ausgebreiteten schwarzen, ledrigen Flügeln kurz über die
Baumwipfel, um dann wieder in den grünen Baldachin abzutauchen.
Der junge Koch Aramis gesellte sich zu Orphan, der an der Reling
stand. Schweigend beobachteten sie, wie die Boote zu Wasser gelassen wurden und
die Piraten â trunken vor Freude, endlich an Land gehen zu können â sich
ausschifften. Einigen von ihnen dauerte selbst das zu lange, sodass sie einfach
über Bord sprangen, um mit kräftigen StöÃen aufs Ufer zuzuschwimmen.
Die Insel hatte keinen Namen, jedenfalls keinen, der auf Karten
verzeichnet war. Einige der Piraten bezeichneten sie als Freistätte, andere
nannten sie die Insel der Trommeln. Uralte Felsformationen umschlossen die
Insel, riesige dunkle Gebilde, deren zerklüftete Rücken aus dem Wasser ragten
und das Meer wie Klingen zerschnitten. Es war eine richtige Pirateninsel,
obwohl sie auch noch andere Bewohner hatte, diejenigen nämlich, die in der Ferne
ihre Trommeln schlugen. Möglicherweise war es irgendein Eingeborenenstamm, über
den jedoch niemand sprechen wollte. Einige Piraten spuckten sogar aus, wenn die
Rede darauf kam.
Spinneninsel. Auch diese Bezeichnung hatte Orphan vernommen, im
Flüsterton gesprochen. Was der Name wohl zu bedeuten hatte?
»Hast du dich schon entschieden, was du tun willst?«, fragte Aramis,
wie immer mit ruhiger, ausdrucksloser Stimme. Orphan wandte sich dem jungen
Mann zu. Erneut wurde ihm bewusst, was für eine rätselhafte Erscheinung der
andere war. »Was bist du eigentlich?«, fragte er. Aramis sah ihn an, ohne eine
Miene zu verziehen, und plötzlich fiel es Orphan wie Schuppen von den Augen.
»Ein Roboter?«
Aramis lächelte, auf ganz natürliche, ungezwungene Weise. Er war
nicht wie Byron, das heiÃt, eine Maschine in Gestalt eines Menschen, was sich
trotz allem leicht erkennen lieÃ. Er war ⦠er war eher wie Adam Worth, der dem
Bookman in seinem unterirdischen Schlupfwinkel als Handlanger diente. Er war
wie Jack. Eine plötzliche Eingebung veranlasste Orphan zu sagen: »Du bist es
gewesen. Du hast die Nautilus an die Piraten
verraten.«
»Manche Wege müssen frei gemacht werden, damit sie benutzt werden
können.«
War das eine Bestätigung? »Hast du die Funksignale gesendet?«,
fragte Orphan.
Aramis sah ihn eine Weile schweigend an. Dann schüttelte er kaum
merklich den Kopf. Nein .
Wer hatte es dann getan?
»Wer bist du?«, hakte Orphan nach. »Zu wem gehörst du? Zum Bookman?«
Aramis lachte. »Kann ich nicht mein eigener Herr sein?«, entgegnete
er. »Bin ich eine Maschine, die man benutzt und die jemandem gehört?«
»Bist du etwa keine?«
»Wenn ich eine Maschine bin, Orphan, was bist dann du?«
Er musterte Orphan mit wissendem und gleichzeitig belustigtem Blick.
»Ich weigere mich, eine Schachfigur zu sein, ein Bauer.«
»Tatsächlich?«
»Was hast du mit mir vor?«
»Ich wollte, dass du zu dieser Insel gelangst, Orphan â zu dieser
Insel, die wie ein Wachtposten in der Nähe der Insel
liegt, die du suchst. Nicht bei jedem Kampf gibt es nur zwei Parteien. Manchmal
gibt es auch eine dritte Partei. Meine Artgenossen und ich ⦠wir brauchen
Frieden, nicht Krieg. Wir sind Kreuzungen aus Mensch und Maschine. Ich kann
mich noch erinnern, wie es war, als die Welt jung war, Orphan.« Er stieà ein
Lachen aus. Das erste der Piratenboote hatte den Strand erreicht, die Männer
rannten an Land. »Oder zumindest ein bisschen jünger als jetzt. Damals gab es
nur wenige Echsen â obwohl die Echsen ja nach wie vor eine Minderheit sind â,
damals wurden meine Artgenossen und ich erschaffen â als Kinder eines
verrückten Erfinders.«
Offenbar war das ein Tag voller Ãberraschungen. »Vaucanson«, sagte
Orphan und sah, wie Aramis nickte. Orphan stieà einen Seufzer aus. Es schien
ihm bestimmt zu sein, im Dunkeln zu tappen und auf Spuren und Hinweise zu
stoÃen, die er den Machenschaften geheimer Mächte zu verdanken hatte, die sein
Leben manipulierten und versuchten, die Welt zu beherrschen. Er hatte gröÃere
Ãhnlichkeit mit einem Roboter, als er
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