Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
bringen. Nicht, dass Sussex in diesem Punkt Grund zur Sorge gehabt hätte. Bruce hatte bereits in diversen aussichtslosen Situationen unter Beschuss gestanden und sich dennoch sicherer gefühlt als hier und jetzt. Gewiss war Sussex über die jüngste Entwicklung der Ereignisse alles andere als erfreut.
Noch fünf Minuten, sagte er sich, dann würde er von hier verschwinden und in Zukunft nicht mehr auf solch dumme Briefe reagieren. Er war froh und dankbar, dass sich an einem Wochentag wenigstens nicht allzu viele Menschen im Kristallpalast aufhielten.
Unbedacht drehte der Agent sich zum Ninive Court um. Einen Rundgang. Mehr aber auch nicht. Als er zwischen den fast zwanzig Fuß hohen geflügelten Stieren mit Menschenhaupt hindurchging, schaute er auf und musste zugeben, dass sie nach wie vor beeindruckend waren. Da er jedoch die Originale mit eigenen Augen in den Wüsten Persiens gesehen hatte, hielt sich seine Ehrfurcht in Grenzen.
Auf der linken Seite hing ein Porträt von einem längst verstorbenen assyrischen Herrscher. Der Agent beugte sich vor, um die Einzelheiten genauer zu betrachten.
»Wie wunderbar, dass Sie sich weiterbilden«, witzelte Sussex in Bruce’ linkes Ohr.
»Teufel auch!« Das hatte sich der Agent nicht verkneifen können. Der Fluch hallte durch den abgeteilten Raum, sodass gleich mehrere Damen entsetzt herumfuhren. Ihr empörtes Geschnatter verstummte erst, nachdem Bruce ein strahlendes Lächeln hatte aufblitzen lassen und sich entschuldigend verbeugte. Das gab ihm außerdem Gelegenheit, sein Herz aus der Hose wieder in seine Brust zurückzuzwingen. Niemand schlich sich derart an ihn heran – niemand. Weder die Ureinwohner der Steppe noch die Kopfjäger der Shuar am Amazonas und ganz gewiss kein verdammter Lackaffe aus England!
Und doch hatte Sussex es getan.
Bruce legte den Kopf schräg. Irgendetwas an Sussex kam ihm spanisch vor, daher würde er dringend aufpassen müssen, was er in seiner Nähe tat oder sagte. Er unterdrückte seinen natürlichen Hang zu Gewalt und nickte bloß.
Sussex’ Lächeln war schmal und kalt, dann ließ er den Agenten stehen und ging tiefer in den Ausstellungsbereich hinein. Bruce hatte gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Im Ninive Court stand alles voller Palmen und leise plaudernder Damen, und obwohl es in diesem Bereich recht kühl war, spürte Bruce, wie ihm im Nacken der Schweiß ausbrach.
Schließlich konnte er es nicht länger aushalten.
»Hören Sie, Hoheit … Ich brauche mehr Zeit.«
Sussex drehte sich auf dem Absatz um. »Ach, ja? Um was genau zu tun? Ich habe Ihnen reichlich Zeit gegeben, sich zu beweisen, Campbell. Stattdessen finde ich heute Morgen einen Bericht auf meinem Schreibtisch, dass das Ministerium eine Verschwörung aufgedeckt hat, deren Ziel es war, das Empire zu stürzen.«
Bruce biss die Zähne zusammen, damit er bei den Damen kein erneutes Ärgernis erregte. Sussex, dessen Nasenspitze beinahe die seine berührte, schien hingegen auf einen Kampf zu brennen. Recht ungewöhnlich für einen Mann von solch hoher Geburt. Doch jeder Muskel in des Herzogs Körper war angespannt, und dieser feine Pinkel sah tatsächlich aus, als stünde er kurz davor, Bruce niederzuschlagen oder es zumindest zu versuchen. Unter seinem stechenden Blick verspürte der Australier indes eher den Impuls zu fliehen, statt zu kämpfen. Diese manikürten Hände waren zu Fäusten geballt, der massive Siegelring an der Hand drohte, aus Bruce’ hübschem Gesicht eine hübsche Schweinerei zu machen. Der Kerl mochte ein Aristokrat sein, aber er wirkte latent bedrohlich.
Der Moment zog sich in die Länge, doch dann schien Sussex sich zu fassen. Schließlich brachte er hervor: »Ich muss gestehen, dass ich mein Angebot an Sie noch einmal überdenke, Agent Campbell. Das Ministerium hat bezüglich der Gunst Ihrer Majestät womöglich eine kleine Gnadenfrist gewonnen.«
Ein Blick in diese eiskalten blauen Augen sagte jedoch deutlich, dass Sussex keineswegs von seinen Plänen abweichen würde. Er würde nicht eher ablassen – selbst im Lichte dieser Entwicklung nicht – , bis das Ministerium endgültig in Flammen aufging. Was der fette Mann getan haben mochte, um sich solch eine erbitterte Feindschaft zuzuziehen, wollte Bruce lieber gar nicht wissen – womöglich hatte Sound es seiner Frau besorgt oder tat es in diesem Moment oder sonst irgendwas.
»Jetzt, da Sound wieder das Wohlwollen der Königin genießt, werde ich mir wohl eine Alternative überlegen
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