Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
– wenngleich ihnen die sauberen Kleider viel zu groß oder zu klein waren und farblich überhaupt nicht zusammenpassten. Wahrscheinlich gestohlen. Doch ungeachtet ihrer schlecht sitzenden Ausstaffierung oder der Mittel und Wege der Beschaffung war es allein die Geste, die zählte. Die hilfreichen Sieben standen vollzählig um sie herum und waren unglaublich stolz darauf, dass Eliza sie gebeten hatte, sie zum Friedhof zu begleiten.
Eliza zupfte ihren schwarzen Schleier über dem Verband um ihre Schläfen zurecht und starrte auf das frische Grab. »Sie haben ihn so schnell beerdigt.«
»Das machen die immer mit Leuten aus Bedlam«, bemerkte Christopher und stopfte die Hände in seine Taschen. »Wenigstens hat der Doktor für ein ordentliches Grab geblecht, und er ist nicht einfach auf dem Müll gelandet, wie die es sonst immer machen.«
Eliza zuckte angesichts seiner brutalen Feststellung zusammen, wusste aber, dass es der Wahrheit entsprach. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und unterdrückte ein Schluchzen.
Serena schob ihre kleine Hand in Elizas. »Ich werd die Lutscher vermissen, die er uns immer mitgebracht hat.« Die Achtjährige, die sich rührend darum bemüht hatte, ihr Haar aufzustecken, begann zu weinen. Ihre Tränen hinterließen kleine Spuren auf den Wangen und verrieten, dass sie wohl doch nicht gar so erfolgreich damit gewesen war, sich den Schmutz vom Gesicht zu waschen. Eliza zog sie an sich und ließ das aufgelöste Mädchen in ihre Röcke schluchzen. Während sie Serenas Kopf streichelte, schaute sie auf den prächtigen Grabstein aus Granit.
HARRISON THORNE
GEFALLEN IM DIENST FÜR SEIN VATERLAND
AUF EWIG GELIEBT UND VERMISST
Was hätte wohl auf meinem Stein gestanden, dachte sie, und bei der Vorstellung überlief sie ein kalter Schauder. Eliza hatte sich immer vorgestellt, in ihrer Heimat beerdigt zu werden. So sehr sie ihre Arbeit genoss, so sehr sehnte sie sich auch nach Neuseeland. Aotearoa. Sie vermisste ihre Hügel, den Pazifik, die großen, grünen Wälder und ihre Leute.
»Er war ein guter Kerl, Miss Eliza«, riss Collins Stimme sie aus ihren Gedanken, während er sich an ihre andere Seite schmiegte. Ausnahmsweise war sie überzeugt, dass er sich diesmal nicht an ihrer Börse bedienen würde.
Es war schwer für die Kinder, viel schwerer, als sich die verhätschelten Lieblinge der Oberschicht würden vorstellen können. Die Hilfreichen Sieben des Ministeriums kannten den Tod nur zu gut, er war überall um sie herum, grausam und alltäglich. Fremd war ihnen jedoch die offene Zurschaustellung von Trauer – als Eliza zu weinen begonnen hatte, konnten auch sie ihre Gefühle nicht länger verbergen. Das fiel den Sieben aber auch schwer, weil Harry sie stets als Teil der Truppe betrachtet hatte.
Eliza kamen erneut die Tränen, als sie sah, wie die schweigsamen Zwillinge, Jonathan und Jeremy, leise schluchzend zwei Rosen neben den Grabstein legten. Die Kinder hatten einen Freund verloren, und diese Trauer war ein Gefühl, das sich schwerlich unterdrücken ließ.
Das galt für alle, bis auf Christopher: Als zäher junger Mann würde er es nicht zulassen, auch nur eine Träne zu vergießen.
»Ja«, flüsterte Eliza schließlich, »Harry war ein guter Mann.«
Seit sie im Krankenhaus aufgewacht war, hatte sie viel an jene Tage in Paris denken müssen. Das Bild von Harrys lachendem Gesicht auf ihrer Bootsfahrt über die Seine war außerordentlich schmerzvoll. Wäre alles anders gekommen, wenn er sich dem Augenblick hingegeben und sie geküsst hätte? Wäre er den Spuren dieser verschwundenen Frauen nicht nachgegangen, wenn er stattdessen sie gehabt hätte? Wäre sie in jener Nacht denn tatsächlich mit ihm zusammen gewesen? Dann würde er jetzt vielleicht nicht in einem kalten Grab liegen.
Sie schluckte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. »Kinder, ich möchte, dass ihr eines nie vergesst: Wenn ihr jemals die Chance bekommt, glücklich zu sein, ergreift sie. Ohne zu zögern.«
»Sie meinen, wie wenn jemandem eine hübsche Uhr aus der Tasche baumelt?« Eric, der mit seinen zehn Jahren vermutlich der beste Taschendieb im East End war, sah sie mit großen ungläubigen Augen an. »’türlich greifen wir da zu, kurz und schmerzlos.« Die Kinder blickten mit solch verwirrten Mienen zu ihr auf, dass Eliza die Worte fehlten.
Sie wollte es ihnen erklären, besann sich dann jedoch eines Besseren. Die Chancen der Kinder, ihr Glück zu finden, standen
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