Borderlands
zersetzte Pille gefunden, braun-gelb gefleckt. Die
toxikologische Untersuchung würde die genauen Bestandteile ermitteln.
Der
Milchsäurespiegel in Angelas Muskeln – in allen ihren Muskeln – war enorm hoch,
als sie starb, was darauf hindeutete, dass sie sie zum Zeitpunkt ihres Todes
sehr stark belastet hatte. Die Rechtsmedizinerin meinte, dass dies nicht das
Ergebnis normaler Aktivität sein könne. Vielmehr habe Angela sehr
wahrscheinlich eine Art Anfall gehabt. Die Blutergüsse auf ihrer Brust und
andere Blutergüsse, die man um ihren Mund herum gefunden hatte, nachdem man den
Lippenstift entfernt hatte, ließen vermuten, dass eine relativ kleine Person
auf ihrer Brust gesessen oder wohl eher gekniet und ihr den Mund zugehalten
hatte, vielleicht während Angela bei einem Anfall um sich geschlagen hatte.
Schließlich waren der Sauerstoffmangel und die extreme elektrische Aktivität in
ihrem Gehirn zu stark geworden.
»Jemand hat
auf ihr gekniet?«, fragte ich und brach damit meine eigene Regel, solche Themen
niemals in Anwesenheit der Kinder zu besprechen.
»Jemand
Kleines«, sagte Costello, »und s-e-x-u-e-l-l aktiv«, fügte er hinzu und formte
die Buchstaben stumm mit den Lippen, während er in Richtung meiner Kinder
nickte, die so taten, als sähen sie fern, die Unterhaltung jedoch gespannt
verfolgten. Ich beschloss, ihm nicht zu sagen, dass Penny Klassenbeste im
Buchstabieren war – und hoffte einfach, dass sie in der zweiten Klasse noch
nicht bis zu solchen mehrsilbigen Wörtern gekommen waren.
»Geht raus,
Kinder«, sagte ich und wartete, bis Penny mit Shane auf dem Arm leise die Tür
hinter sich zugezogen hatte. »Worauf tippen Sie bei der Pille? E?«
»Gut möglich.
Wir werden es bald wissen. Fragen Sie bei der Familie nach ihrer
Drogengeschichte. Erkundigen Sie sich auch nach Epilepsie. Wenn sie noch nie
einen Anfall gehabt hatte, wäre so gut wie sicher, dass Drogen im Spiel waren.«
Ich nickte. »Trotzdem,
die Erwähnung einer ›kleinen Person‹ scheint auf Whitey McKelvey hinzudeuten.«
»Sieht so aus,
Benedict«, stimmte Costello zu. »Ich gebe eine Beschreibung heraus, mal sehen,
ob wir ihn so nicht zu fassen bekommen. Entweder das, oder wir sollten hoffen,
dass die aus dem Norden ihn schnappen, bevor Cashells Großfamilie sich aufmacht
und noch mehr Benzin kauft.«
3
Montag,
23. Dezember
Montagmorgen schaute ich früh in der
Polizeiwache vorbei und wurde von Burgess, dem diensthabenden Beamten, darüber informiert,
dass Tommy Powells Vater in seinem Zimmer im Finnside-Pflegeheim einen
Eindringling gesehen habe. Weder Burgess noch ich fanden, dass hier eine
gründliche Untersuchung erforderlich sei: Ein fünfundsiebzigjähriger Mann, der
in einem Pflegeheim untergebracht ist, weil er an Demenz leidet, behauptet,
jemand sei in seinem Zimmer gewesen – in einer Einrichtung, in der die Pfleger
wahrscheinlich stündlich nach den Patienten sehen, Tag und Nacht. Das schien
ein Kinderspiel zu sein. Andererseits war Powell nicht nur sehr wohlhabend,
sondern auch einflussreich und hatte einen großspurigen Sohn, der sich nichts
dabei dächte, den Lokalzeitungen zu erzählen, die Nachlässigkeit von An Garda
führe dazu, dass sein armer Vater schutzlos Eindringlingen ausgeliefert sei.
Ich sagte Burgess, ich würde der Sache selbst nachgehen, sobald ich die
Gelegenheit hätte, nur damit Powell jr. Ruhe gab.
Ich rief im Kino an, um sicherzugehen, dass
Martin, der Manager, dort war; dann fuhr ich hin und nahm seine Aussage auf,
die schlicht das bestätigte, was Costello mir erzählt hatte. Martin kannte die
Cashell-Mädchen; er hatte Angela sowie ihre beiden Schwestern – eine älter,
eine viel jünger – erkannt, Angela an ihrem blonden Haar. Obendrein konnte er
mir die Aufnahmen der Videoüberwachungsanlage für diesen Nachmittag
zeigen.
Wir saßen im
Büro des Kinos. Bei Tageslicht und ohne den Geruch nach Popcorn wirkte das
Gebäude fremd. Martin spulte das Video vor bis vierzehn Uhr fünfundvierzig,
dann schauten wir es uns an. Nach wenigen Minuten kam eine Gruppe Mädchen ins
Kino. Aber das Mädchen, das Angela hätte sein sollen, trug nicht Jeans und ein
blaues Kapuzenoberteil, wie ihr Vater angegeben hatte, sondern einen kurzen
Rock und einen roten Mantel. Es war schwer, sie eindeutig zu identifizieren,
weil die Aufnahme so grobkörnig war, doch Martin zögerte nicht.
»Das sind
sie«, sagte er und deutete auf die Mädchen.
»Sind Sie
sicher? Das sind nicht die Sachen, die sie
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