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Borderlands

Borderlands

Titel: Borderlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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angeblich getragen hat.«
    Er seufzte und
sah mich an, als hätte ich ihn enttäuscht. »Ich sage Ihnen, das waren die. Ich
hab sie selbst bedient; ich erinnere mich an Angela Cashell. Meine Frau nennt
das Ding, das sie da trägt, einen McRock.«
    »Warum?«
    »Das
Stoffsparmodell.« Er lachte über seinen Witz.
    Dann spulte er
das Band weiter vor. Er schien zu wissen, wo er anhalten musste, und ich
vermutete, dass er es sich mehrmals angesehen hatte, um sich auf den Besuch der
Polizei vorzubereiten. Um sechzehn Uhr drei verließ Angela Cashell mit ihren
Schwestern das Kino. Trotz der Grobkörnigkeit des Filmmaterials glaubte ich,
dass sie lachte, während sie sich mit den anderen Mädchen unterhielt. Ich
hoffte es wenigstens.
    »Die Jüngere
war das Problem«, erklärte er, »deshalb mussten wir sie bitten zu gehen. Die
beiden Älteren durften den Horrorfilm sehen, aber die Kleine nicht. Davon hätte
sie Albträume bekommen.«
    Ich nickte und
dachte bei mir, dass der Mord an ihrer Schwester wohl einen dauerhafteren
Eindruck bei ihr hinterlassen würde als jeder Horrorfilm.
    Ehe ich zum
Auto zurückkehrte, ging ich die wenigen hundert Meter bis zu der Stelle, wo man
Angela Cashell entdeckt hatte. Das Gras war mittlerweile ziemlich
heruntergetreten, und ein paar Anwohner hatten gleich hinter dem Fundort
Blumensträuße abgelegt. Blau-weißes Absperrband flatterte in der Brise und
verfing sich in den Zweigen des Weißdornbaums, an dem es festgebunden worden
war.
    Ich ging
hinüber zu den Sträußen am Fuß des Baums und las mit grimmiger Neugier die
beigefügten Karten. Ein Strauß stammte von den Cashell-Mädchen. Sadie hatte einen
arg mitgenommenen alten Teddybär niedergelegt. Auf einem Stück Briefpapier, das
in der Schleife um den Hals des Teddys steckte, stand: »In Liebe, Mummy und
Daddy.« Das Ganze erinnerte mich an die Elfenbäume, von denen die Leute im
Westen des Donegal früher erzählt hatten. Die Einheimischen befestigten
irgendwelche Talismane am Baum, und im Gegenzug dafür segneten die Elfen sie.
Der Boden um den Baum herum war mit Karten, auf denen die Leute ankündigten,
Totenmessen für Angela lesen zu lassen, Rosenkränzen, normalen Trauerkarten und
Blumen übersät. Ich entdeckte ein Foto, das eindeutig Jahrzehnte zuvor
aufgenommen worden war: Eine junge Frau saß auf einer Betontreppe. Hinter ihr
konnte ich Kinder sehen, die an einem Strand spielten. Ich nahm an, dass die Frau
eine von Angelas Großmüttern sei, und steckte das Foto zurück hinter eine
Efeuranke, die am Baumstamm emporgeklettert war. Ich las noch einige Karten und
legte danach jede sanft wieder zurück auf das Bett aus feuchtem Moos am Fuß des
Baums.
    Noch Tage später
machte mich der Gedanke an Sadies schlichte Botschaft traurig – könnte
irgendetwas ein elterliches Gefühl, das so instinktiv war, dass es sich kaum in
Worte fassen ließ, besser ausdrücken?
    Als ich zum Haus der Cashells kam, saß Sadie
auf einem Küchenstuhl aus Holz vor der Haustür, rauchte eine Zigarette und
unterhielt sich mit ihrem Nachbarn, der sich über die Hecke zwischen den beiden
Grundstücken beugte. Der Nachbar, Jim Soundso, nickte mir zu, als ich aus dem
Auto stieg, und ich hörte ihn sagen: »Hey, Sadie, heute gibt’s Bulletten.«
    Ich hätte ihm
gerne gesagt, er solle sich verpissen, doch ich nickte nur höflich und
lächelte. Als ich näher kam, stand Sadie auf und ging ins Haus. Die Tür ließ
sie offen, was ich als Einladung deutete – mehr war wohl auch nicht zu
erwarten.
    Die beiden
jüngeren Töchter saßen beinahe genauso am Küchentisch, wie ich sie zuletzt
gesehen hatte, und, wie mir auffiel, in derselben Kleidung. Als ich eintrat,
sahen die beiden auf, dann wandten sie sich wieder dem Spiel mit ihren Puppen
zu. Sadie stand am Herd und zog die nächste Zigarette aus der Packung, die
neben ihr auf der Arbeitsfläche lag.
    »Hab ich nich
schon genug am Hals? Was wollen Sie?«
    Sie beugte
sich über den Herd, nahm einen Topf von einem Gasring und zündete ihre
Zigarette an der Flamme an. Sie musste mehrmals daran ziehen, bis sie brannte,
und Rauchschwaden vermengten sich mit dem Dampf, der von den Töpfen aufstieg.
Hinterher war ihr Gesicht feucht und gerötet.
    »Ich habe ein
paar Fragen, Sadie. Über Angela. Falls Sie sich dem jetzt gewachsen fühlen.«
    »Das is Ihnen
doch scheißegal. Dieser Scheißkerl hat sich wieder einlochen lassen. Zwei Tage
vor Weihnachten. Was soll ich jetzt tun? Hm?« Sie setzte sich,

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