Borderlands
Knast müsste, aber das dauert nicht mehr lange.
Würde mich nicht überraschen, wenn er was mit dem Tod des Mädchens zu tun
hätte. Allerdings sind sein Ding eher Messer. Ich weiß auch nicht, ob er
kräftig genug wäre, um eine Leiche zu tragen. Er ist drahtig, aber ziemlich
schwach. Eher hinterhältig als stark, wissen Sie.«
»Ich kenne
ihn«, sagte ich. »Ein, zwei Mal ist er auch auf unserer Seite aufgetaucht.
Weißblonde Haare, die Ohren stehen ab wie die Henkel eines Fußballpokals?
Lassen Sie uns wissen, wenn Sie ihn hochnehmen. Cashell glaubt offenbar, dass
er was weiß.«
Wir gaben uns
die Hand. »Natürlich«, sagte Hendry, »allerdings hoffe ich, dass Sie ihn zuerst
kriegen. Das letzte Mal, als wir Whitey einkassiert haben, hat er den reinsten
Saustall hinterlassen.«
Abends stattete Superintendent Costello uns
zu Hause einen Besuch ab. Das macht er recht häufig; es gehört zu seiner
Vorstellung von bürgernaher Polizeiarbeit. Er zwängte sich in den Sessel in der
Ecke, die am weitesten vom Fernseher entfernt war, und hielt die Teetasse in
der Hand, die Debbie ihm durch Penny hatte bringen lassen. Der Couchtisch, auf
dem ein Teller mit Gebäck stand, befand sich knapp außerhalb seiner Reichweite,
und der Aufwand, die Tasse abzustellen und wieder aufzunehmen, war ihm offenbar
zu groß. Die Tasse sah winzig aus in seiner Hand, und er wirkte unbeholfen,
wenn er daraus trank.
»Das Echo auf den RTE -Bericht
war ganz ordentlich«, sagte er und hielt sich die Tasse knapp unters Kinn; den
Mittel- und den Ringfinger hatte er abgespreizt, da der Griff der Tasse zu
klein war, um alle Finger unterzubringen. »Dreiundzwanzig Anrufe. Zwölf
Spinner.«
Wir hatten
beschlossen, auf der Pressekonferenz nicht zu erwähnen, dass Angelas Leiche bis
auf die Unterwäsche nackt gewesen war und dass sie einen Ring getragen hatte,
damit wir die Spinner von den Anrufern mit echten Informationen trennen
konnten.
»Immerhin ein
paar vielversprechende Hinweise«, fuhr Costello fort und rührte den Tee um, um
etwas mit seinen Händen und der Tasse anzufangen. »Einer hat einen
Traveller-Jungen erwähnt, vermutlich Whitey McKelvey. Die beiden wurden am
Donnerstagabend zusammen in einer Disco in Strabane gesehen. Auch Drogen wurden
erwähnt.« Ich nickte, nicht überrascht. »In Verbindung mit ihr – nicht mit ihm,
Benedict.«
»Dann lohnt es
sich vielleicht, die Rechtsmedizinerin um einen toxikologischen Bericht zu
bitten«, schlug ich vor, obwohl ich ahnte, dass Costello das bereits getan
hatte.
»Ich habe
vorhin mit ihr gesprochen«, erwiderte er und bemühte sich, den Löffel so sanft
wie möglich wieder auf die Untertasse zu legen. »Der Manager des
Multiplex-Kinos hat Angela dort Freitagnachmittag mit ihren Schwestern gesehen.
Sie haben Eintrittskarten für die Kindervorstellung gekauft, sind dann aber in
irgendeinen Horrorschocker gegangen. Gegen vier Uhr hat man sie rausgeworfen.«
Der Löffel rutschte klirrend von der Untertasse und fiel zu Boden. Penny
huschte auf allen vieren hin und hob ihn lächelnd auf.
»Am Freitag?«,
wiederholte ich. »Sind Sie sicher? Cashell hat gesagt, sie sei seit Donnerstag
fort gewesen.«
»Überprüfen
Sie das am besten gleich morgen früh«, meinte Cashell. »Der vorläufige Befund
der Rechtsmedizinerin ist auch schon da. Sie setzt den Todeszeitpunkt irgendwo
zwischen elf Uhr am Freitagabend und ein Uhr am Samstagmorgen an.« Während er
sprach, holte er eine cremefarbene Mappe aus der Tasche, die er bei sich hatte.
Er reichte sie mir und wandte seine Aufmerksamkeit Shane zu, der auf seinem
Schaffell saß und Costello mit offenem Mund beobachtete, einen Zwieback in der
erhobenen Hand, das Gesicht mit aufgeweichtem Gebäck verklebt. Shane grinste
und zeigte seine beiden Zähne, dann gurgelte er zufrieden.
Ich überflog
den ganzen technischen Jargon. Kurz gesagt, hatte Angela vor ihrem Tod noch
Geschlechtsverkehr gehabt – aller Wahrscheinlichkeit nach einverständlich und
ganz sicher mit einem Verhütungsmittel; das in den Abstrichen gefundene
Gleitmittel deutete auf Kondome der Marke Mates hin, womit jede Chance auf
fremde DNA von
vornherein ausgeschlossen war, es sei denn, man fände Haare auf ihrer Leiche.
Der
Mageninhalt schien zu bestätigten, dass sie am Tag ihrer Ermordung tatsächlich
im Kino gewesen war: Angela hatte eindeutig Popcorn, Schokolade und später am
Tag noch einen Burger und Pommes frites gegessen. Die Rechtsmedizinerin hatte
außerdem eine teilweise
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