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Borderlands

Borderlands

Titel: Borderlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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ein
stillschweigendes Eingeständnis der Tatsache, dass sie wusste, ich war nicht
der Urheber ihres Unglücks, auch wenn sie noch so gerne alles auf mich
geschoben hätte. Ich setzte mich ihr gegenüber und musterte sie.
    Sie war immer
eine recht schwere Frau gewesen. Das kastanienbraune Haar hatte sie
zurückgebunden. Es hatte seinen Glanz verloren; die dunkelbraune Mähne, die
einst der eines Pferdes geglichen hatte, war nun von Weiß und schmutzigem Grau
durchzogen. Ihre Haut war gealtert und ledrig, mit geplatzten Äderchen
gesprenkelt. In einem anderen Leben, mit einem anderen Ehemann, hätte sie
vielleicht in gewisser Weise attraktiv sein können, doch das Leben mit Johnny
Cashell hatte seinen Tribut gefordert. Sie sah deutlich älter aus als
siebenundvierzig Jahre. Noch nie hatte ich sie so niedergeschlagen gesehen. Ich
öffnete meine Brieftasche und nahm die drei Fünfzig-Euro-Scheine heraus, die
ich morgens am Geldautomaten gezogen hatte, um Debbies Weihnachtsgeschenk zu
kaufen. Sadie beobachtete mich argwöhnisch.
    »Sadie, wir
haben auf der Polizeiwache ein bisschen was gesammelt wegen all dem, was letzte
Woche passiert ist. Nehmen Sie es, damit kommen Sie über Weihnachten.«
    Ihre erste
Reaktion waren Empörung und Wut, doch ich versicherte ihr, dass es kein Almosen
im engeren Sinne sei, sondern einfach ein kleiner Beitrag, um ihr über eine
Durststrecke hinwegzuhelfen. Langsam und ohne mir zu danken, nahm sie das Geld,
faltete die Banknoten ein Mal und steckte sie unter die Obstschüssel. Dann
machte sie ohne erkennbaren Grund eine Geste in meine Richtung, was ich als
Zeichen ihrer Zustimmung zur Befragung nahm. Ich sah die beiden Mädchen an,
denn ich wollte das Gespräch nicht in ihrer Anwesenheit führen, doch Sadie
wedelte den Qualm vor ihrem Gesicht fort und sagte: »Schon in Ordnung. Sie
kapieren es sowieso nicht.«
    »Sadie«, begann
ich und beobachtete die Mädchen immer noch mit einem unguten Gefühl, »wir
glauben, Angela hatte eine Art Anfall –«
    »Is sie daran
gestorben? An einem Anfall?«
    »Das wissen
wir nicht. Wir sind ziemlich sicher, dass sie irgendwann, bevor sie starb, eine
Art Anfall hatte. War sie Epileptikerin? Hatte sie öfter Anfälle?«
    »Nein, nie.
Aber wenn sie einen Anfall hatte, dann is sie doch nich ermordet worden. Ein
Anfall is kein Mord, oder?« Ganz kurz schien Hoffnung in ihren Augen
aufzuflackern, als ob die Todesart etwas am Endergebnis hätte ändern können.
    »Wir wissen es
nicht, Sadie. Sie hatte nie irgendwelche Anfälle?«
    »Nein.«
    »Hat sie
Medikamente genommen?«
    »Nein. Vor ein
paar Monaten hat sie mal für ne Weile Eisen bekommen, aber jetzt nich mehr.«
    »Wie haben ihre
Eisentabletten ausgesehen, Sadie – vielleicht hat sie ja in letzter Zeit doch
welche genommen, ohne dass Sie es wussten?«
    »Warum? Wieso
sind diese Eisentabletten so wichtig?«
    »Ich kläre nur
ein paar Punkte ab. Kann ich die Tabletten sehen?«
    »Muire, lauf
hoch und hol die Tabletten da aus dem Bad, Süße«, sagte Sadie, und das jüngere
der beiden Mädchen – dasjenige, von dem ich bei meinem letzten Besuch geglaubt
hatte, es werde etwas sagen – lief die Treppe hinauf. Wir hörten ihre Schritte
dumpf über uns.
    Während wir
auf ihre Rückkehr warteten, versprach ich Sadie, wir würden ihnen Angela so
rasch wie möglich zurückgeben. »Und ihre Sachen auch, Sadie. Sie möchten sicher
diesen Goldring wiederhaben«, sagte ich, als mir der Ring einfiel, den Angela
getragen hatte.
    »Was für’n
Goldring? Sie hat keine Goldringe getragen.«
    »Sind Sie
sicher? Sie trug einen Goldring mit irgendeinem Stein. Er sah teuer aus.«
    Sie zögerte
den Bruchteil einer Sekunde zu lange mit ihrer Antwort. »Ach, richtig. Klar.
Der Ring. Klar. Den hatte ich ganz vergessen. Hat sie selbst gekauft, jawohl.«
    Doch ich
wusste, dass sie log. Angela hatte keinen Goldring getragen, aber Sadie ließ es
einfach darauf ankommen, um an ein Schmuckstück zu gelangen, das ihr nicht
gehörte.
    Wichtiger war
aber die Frage, woher der Ring dann stammte? Von einem Freund oder Liebhaber
vielleicht? Von dem Liebhaber, mit dem sie Geschlechtsverkehr gehabt hatte, ehe
sie starb, und der vermutlich der letzte Mensch gewesen war, der sie lebendig
gesehen hatte, und von daher logischerweise ihr Mörder?
    Muire kehrte
mit den Tabletten zurück. Es waren rot-grüne Kapseln, die keinerlei Ähnlichkeit
mit der Beschreibung der Tablette in Angelas Magen aufwiesen.
    »Sadie, würden
Sie die Mädchen bitten,

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